Zusatzbeschilderung lässt auf sich warten
Im November 2010 beschlossen zuständigen politischen Gremien in Gelsenkirchen die Umbenennung des Paul-Schossier-Weg in Josef-Sprenger-Weg und die Anbringung von Erläuterungstafeln neben den Straßennamen mit Bezug zur deutschen Kolonialgeschichte.
Im entsprechenden Vorlagendokument der Stadt Gelsenkirchen vom 5.10.2010 heißt es dazu: (…) Um die Umbenennung für jeden sichtbar zu machen, wird das neue Straßennamensschild für die Dauer von einem Jahr unter dem alten Schild angebracht. Das alte Schild wird durchgestrichen. Nach der Übergangszeit von einem Jahr wird das alte Schild endgültig entfernt. (…) Zusatzbeschilderungen zur Erklärung der Benennung nach der deutschen Kolonialgeschichte sind bei drei Straßen notwendig (…).
Bisher wurde der Beschluss jedoch nur teilweise umgesetzt. Die Straßenschilder mit dem durchgestrichenen Namen des NS-Täters Paul Schossier wurden bisher nicht entfernt und auch die erklärenden Zusatztafeln an der Straßenbeschilderung mit Bezug zur deutschen Kolonialgeschichte sind bisher nicht angebracht worden. Das stellten MitgliederInnen des Gelsenzentrum e.V. bei Ortsbesichtigungen am 13. Mai 2012 fest. Man darf nun gespannt sein, wann die Stadtverwaltung den Beschluss abschließend umsetzt, eine Anfrage an die Pressestelle der Stadt Gelsenkirchen haben wir heute auf den Weg gebracht.
Unter dem neuen Straßenschild hängt, rot durchgestrichen, noch das alte.
Hintergrund der Umbenennung des Paul-Schossier-Wegs war eine von Gelsenzentrum ( Gemeinnütziger Verein für regionale Kultur- und Zeitgeschichte Gelsenkirchen) 2008 angestoßene Diskussion über das Fortwirken von NS-Tätern als Namensgeber von Straßen im öffentlichen Raum der Stadt Gelsenkirchen. Daraufhin wurde das Institut für Stadtgeschichte beauftragt, die zeithistorischen Ereignissen und Personen, nach denen Gelsenkirchener Straßen benannt sind, einer genaueren Betrachtung zu unterziehen. Dabei bestätigte sich, dass im Falle des Paul-Schossier-Wegs (benannt 1966) eine Umbenennung erfolgen muss, da Schossier in seiner Eigenschaft als Polizeidezernent nachweislich an der Deportation der so genannten „Zigeuner“ aus Gelsenkirchen in das Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau beteiligt war. Von anderen Verbrechen, an denen die kommunale Polizei beteiligt war, musste er mindestens wissen, beispielsweise von der Deportation der Juden, der Verfolgung Andersdenkender und dem Zwangsarbeitseinsatz.
Das Anbringen der Zusatzbeschilderung an der Tanga-, Waterberg- und Windhukstraße thematisiert die Zeit des Kolonialismus und bietet sicherlich vielen Menschen Anreiz, sich erstmals mit der deutschen Kolonialgeschichte auseinanderzusetzen – doch dazu muss sie erstmal montiert werden.
So erinnert beispielsweise die Waterbergstraße an den grausamen Vernichtungsfeldzug gegen das Volk der Herero am Waterberg, einen Tafelberg nördlich von Windhuk in der ehemalige Kolonie Deutsch-Südwestafrika. Dort wurden am 11. August 1904 die Herero nach einem Aufstand gegen die deutsche Kolonialherrschaft von den deutschen Truppen eingekesselt, in die wasserlose Wüste Omaheke getrieben und dort dem Tod preisgegeben. Schätzungen liegen zwischen 20.000 und 25.000 Menschen, die unter furchtbaren Qualen verdursteten. Dieses Vorgehen der deutschen Truppen wird in der Wissenschaft als der erste Völkermord des 20. Jahrhunderts bewertet.
Wann ergänzen Zusatzschilder die kolonialen Straßennamen?