Wider dem Vergessen

Heute vor 64 Jahren, am 11. 9. 1944 starben bei alliierten Bombenangriffen mehr als 150 ungarische Jüdinnen, die im im Außenlager des KZ Buchenwald (Gelsenberg-Lager) auf den Betriebsgelände der Gelsenberg Benzin AG in Gelsenkirchen-Horst zur Zwangsarbeit eingesetzt waren.

Der Gelsenkirchener Ehrenbürger Kurt Neuwald, ein Überlebender des Holocaust, hat in einem Interview zu Lebzeiten folgendes berichtet:

„Das Lager Gelsenberg – Meine leider verstorbene Frau hat im Krieg bei Gelsenberg gearbeitet, sie kam ursprünglich aus Rumänien. Hitler hat den Teil von Rumänien in dem sie aufgewachsen ist, zu Ungarn geschlagen. Dann ist sie als ungarische Jüdin nach Auschwitz gekommen und von dort zum Arbeitseinsatz nach Gelsenkirchen zur Firma Gelsenberg deportiert worden. (…) Sie sollte hier aufräumen. Gelsenberg war zerstört worden von den Bomben der Engländer. (…) Weitere 500 Frauen kamen nach Krupp zum aufräumen.“

„Nun sagen manche in Gelsenkirchen, wir haben von alledem nichts gewußt, aber die Wahrheit ist: Sie wollten von all dem nichts wissen! Meine Frau hat mir erzählt, daß sie hier am Bahnhof in Häftlingskleidung ausgeladen wurden. Sie waren kahl geschoren und in Auschwitz hatte man ihnen eine Nummer in den Arm tätowiert. Der ganze Transport wurde dann zu Fuß über die Overwegstraße. Nach Gelsenberg geführt, mir kann keiner erzählen, daß die Gelsenkirchener Bevölkerung nicht diese 500 Frauen gesehen hat. Alle müssen es gewußt haben – denn der eine hat es dem anderen erzählt. Wer es selber nicht gesehen hat, der muß es doch von seinen Nachbarn oder Freunden gehört haben, daß da 500 kahl geschorene Frauen in gestreiften Anzügen durch die Stadt geführt wurden. Da muß sich doch jeder fragen, was sind das für Leute?“

„Sie haben also bei Gelsenberg gearbeitet. Beim Fliegeralarm durften sie aber nie in die Bunker, sie mußten draußen auf dem Feld bleiben. Die Flugzeugbesatzungen haben aber nicht erkannt wer dort stand und haben sie für herumlaufende Arbeiter gehalten. Sie wurden durch Maschinengewehrsalven verletzt. 25 von ihnen wurden in die Gelsenkirchener Krankenhäuser gebracht. Da gab es einen Chefarzt, der die 25 Frauen gerettet hat, indem er der Gestapo, die sie abholen wollte erklärt hat, daß sie noch nicht gesund seien. Alle anderen Frauen sind auf den Hungermärschen auf dem Weg nach Thüringen umgekommen. Nur diese 25, die der Chefarzt Dr. Bertram gerettet hat, haben überlebt. (…)“

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Den Opfern vom Gelsenberg-Lager zum Gedenken

Anmerkung des Verfassers: Nach neueren Forschungsergebnissen muß die Zahl der auf Gelsenberg eingesetzten Zwangsarbeiterinnen, die man extra aus anderen Vernichtungslagern wie Auschwitz oder Buchenwald nach Gelsenberg deportiert hat, nach oben korrigiert werden, es waren nach heutigem Kenntnisstand rund 2000 Mädchen und Frauen aus Ungarn.

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