Gedenken an Mölders durch die Hintertür?

Erinnerungsorte in Gelsenkirchen: Gesamtschule Horst, Eingangsbereich Industriestrasse

Wir befinden uns im Jahr 2009 n. Chr. Die Wogen haben sich geglättet, niemand nimmt weiter Anstoß an der „Mölders-Erinnerungstafel“ an der Gesamtschule in Gelsenkirchen-Horst. Wirklich niemand? Nein! Ein Teil der Gelsenkirchener Bevölkerung hört nicht auf, Widerstand zu leisten.

GELSENZENTRUM fordert daher:
„Die Tafel des stadteigenen Projektes „Erinnerungsorte“ soll entfernt bzw. deren Inhalt überarbeitet werden. Es sollte sich eine angemessenere, auch der heutigen Generation vermittelbare Lösung finden lassen, zumal es in den meisten Gymnasien und Gesamtschulen in Gelsenkirchen noch immer keine Gedenktafeln für die wirklichen Opfer der NS-Diktatur gibt.“

Exemplarisches Beispiel, wie in der Stadt Mörs mit einer Erinnerungstafel an einer Schule verfahren wurde:

Denkmal für ehemalige jüdische Schüler – Erinnerungstafel für die ehemaligen jüdischen Schüler des Gymnasium Adolfinum Moers

In mehreren Projekttage-Arbeitsgruppen und in einem internationalen Geschichtsunterrichtsprojekt mit Schülern der Jahrgangsstufe 12 wurde im Jahr 1999 die Schulgeschichte zur NS-Zeit aufgearbeitet und dokumentiert. Insgesamt fanden sich 45 Schüler, die im Zeitraum 1900 bis 1938 die Schule besuchten und mit der Religionszugehörigkeit „israelitisch“ erfasst waren. Als Ergebnis dieser Arbeit entstand zuletzt eine Gedenktafel für die jüdischen Schüler, die in einer Schulfeier am 27. November 2000 in Anwesenheit von Vertretern der oberen Schulbehörde und des 2006 verstorbenen, ehemaligen Präsidenten des Zentralrats der Juden in Deutschland, Paul Spiegel, auf dem Gelände des Schulhofes als Mahnmal eingeweiht wurde. Paul Spiegel betonte in seiner Rede:
„Nicht wir Juden benötigen dieses Denkmal, sondern Sie als Schulgemeinschaft, um die Erinnerung an den Holocaust dauerhaft wach zu halten.“

Hier einige weitere Kommentare zum WAZ-Artikel „Heikle Erinerung“:

3 von MarliesMrotzek, am 22.11.2008 um 10:16 Uhr:

Friedel Pfeiffer hätte der Text nicht gefallen und anderen Horster und Horsterinnen wohl auch nicht. „Nie, nie wollen wir Waffen tragen, nie, nie ziehen wir in den Krieg. Laß‘ die Herren selber sich da schlagen. Wir machen einfach nicht mehr mit“, hatten sie schon in der Weimarer Zeit gesungen. Und auch Rosa Eck hätte dieser Text nicht gefallen. Sie ist in die Schulen gegangen und hat mit den Jugendlichen und jungen Erwachsenen über Krieg und das nationalsozialistische Unrechtssystem gesprochen und über Opfer, Täter und Mitläufer und die sogenannten Desateure oder Kriegsverweigerer. Krieg, Kriegseinsatz und Militarismus als Beruf entsprachen nicht dem damaligen Zeitgeist, sondern dem einer Schicht. Es ist zu wünschen, dass im Geschichtsunterricht der Schule darüber offen und der historischen Wahrheit entsprechend informiert wird. Marlies Mrotzek

4 von a.ulonska, am 22.11.2008 um 16:19 Uhr:

Als wir in den 80-er Jahren, in meinem Geschichte Zusatzkurs am Max-Planck Gymnasium, über die Widerstandskämpfer in Gelsenkirchen im Nationalsozialismus eine Ausstellung erarbeiteten, durfte die Ausstellung wegen Bedenken einiger „verdienter“ Studienräte nicht gezeigt werden. Begründung: Dort seien auch Kommunisten!! aufgeführt. Erst nach langen Diskussionen wurde sie dann „kurz“ gezeigt. Jeder hält gerne seine eigene Legende aufrecht. Im übrigen waren dort auch die Biografien von Rosa Eck und Friedel Pfeiffer dokumentiert mit Original Tonaufnahmen. Vielleicht findet sie ja noch jemand in den Tiefen des MPG ? Angela Ulonska

5 von MarliesMrotzek, am 23.11.2008 um 12:56 Uhr:

Ca. 10 Jahre später, im November 1999, zeigte die „flora“ eine Ausstellung mit dem Titel „Verpflichtungen übernehmen und Wahrheiten aussprechen“ – Beispiele gesellschaftlichen Engagements in Gelsenkirchen. Zu den Porträtierten gehören u.a. Friedel Pfeiffer, Rosa Eck und Karl Taefler, und auch Gerda und Paul Schubert und Peter Reichmann. Veranstalter war die Stadt Gelsenkirchen, Kulturamt. Damals war Peter Rose Kulturdezernent. Im Dezember 2006 wurde im Foyer der Volkshochschule eine Ausstellung gezeigt mit dem Titel: Harte Zeiten! Hartz IV: Zum Leben zu wenig …“ Eine Ausstellung des Industrie- und Sozialpfarramtes Kirchenkreis Gelsenkirchen und Wattenscheid. Die Ausstellung porträtiert u.a. drei Frauen und deren Leben unter den Bedingungen von Hartz IV. Eine Ausstellungstafel, auf der kurz der politische Werdegang einer Frau, Hartz IV-Betroffene und Mitglied der MLPD erläutert wird, musste im Auftrage von Stadtrat Dr. Manfred Beck, Vorstandsbereich 4, Kultur, Bildung, Jugend und Sport, entfernt werden.
Und wenn davon auszugehen ist, dass neben den Mitgliedern der Demokratischen Initiative und dem Leiter des Stadtarchivs, auch die Verantwortlichen des Vorstandsbereiches 4 den Text der Horster Tafel mitdiskutiert oder ihm zumindest gekannt und ihm zugestimmt haben, dann stimmt das schon sehr bedenklich. Marlies Mrotzek

Die Fraktion Die Linke / AUF-Gelsenkirchen in der Bezirksvertretung West: Gelsenkirchen, 28.11.2008:

Mitglied der faschistischen Legion Condor als Vorbild für die Jugend?

Die Ehrung von W. Mölders auf der Gedenktafel an der Gesamtschule Horst (die WAZ berichtete darüber am 20.11.08) ist mehr als peinlich. Als einer der ersten Freiwilligen meldete er sich zur Legion Condor. Die Legion Condor war die fliegende Terror-Gruppe des Hitlerfaschismus, die im Kampf gegen die spanische Republik zum ersten Mal Massenbombardements gegen die Zivilbevölkerung einsetzte. Dies ist durch das Bild „Guernica“ von Picasso tief in das demokratische und antifaschistische Bewusstsein der Menschen auf der ganzen Welt eingegraben. Danach nahm Mölders am Angriffkrieg auf die Sowjetunion teil, wurde mehrmals für seine Verdienste für den Faschismus ausgezeichnet, bis zum Oberst befördert und schließlich als General der Jagdflieger ins Reichluftministerium berufen. Wie kann man aus einem solchen Täter ein Opfer machen?

Wir, die Bezirksverordneten von Die Linke und AUF Gelsenkirchen, werden uns bemühen, zusammen mit der Gesamtschule Horst einen Vorschlag für einen Text zu machen, der diese Tatsachen berücksichtigt.

Mit freundlichen Grüßen und der Bitte um Berichterstattung

Thomas Grohé, Günter Wagner

Siehe auch: Heikle Erinnerung. Und mehr.

Dieser Beitrag wurde unter Stadtgeschichte Gelsenkirchen veröffentlicht. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

Schreibe einen Kommentar