Neuer Prozess um den Tod Oury Jallohs

Der Tod des Oury Jalloh – war es Mord?

Am 07. Januar 2011 jährte sich der Todestag des Asylbewerbers Oury Jalloh, der qualvoll in einer Gewahrsamszelle des Dessauer Polizeireviers unter ungeklärten Umständen verbrannte, zum sechsten Mal. Heute begann der neue Prozess in diesem Fall vor dem Landgericht in Magdeburg.

Im ersten Prozess hatte die Staatsanwaltschaft dem Angeklagten, der als Dienstgruppenleiter der Polizei die Verantwortung für den Gewahrsamsbereich getragen habe, zur Last gelegt, er habe es unterlassen, sofort nach dem Ertönen des Alarmsignals des Rauchmelders Rettungsmaßnahmen einzuleiten, obwohl ihm bewusst gewesen sei, dass beim Ansprechen eines Rauchmelders stets vom Ausbruch eines Feuers auszugehen sei. Dabei habe er mögliche Verletzungen Ouri Jallows durch Rauch- und Feuereinwirkung billigend in Kauf genommen. Das Landgericht Dessau-Roßlau hat den Angeklagten aus tatsächlichen Gründen von dem Vorwurf der Körperverletzung mit Todesfolge im Amt freigesprochen.

Auf die darauf erfolgten Revisionen der Staatsanwaltschaft und der Nebenkläger hat der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs das Urteil des Landgerichts mit folgender Begründung aufgehoben: Nach den Urteilsausführungen ist nicht nachvollziehbar, wie sich der Brand der Matratze im Einzelnen entwickelt hat. Insbesondere bleibt unklar, ob ein vom Landgericht angenommenes „Anschmoren“ des Matratzenbezuges ohne Verbrennungen der Hand und entsprechende Schmerzenslaute möglich wäre, die den Angeklagten zu einem frühzeitigen Eingreifen hätten veranlassen müssen. Zudem hat das Landgericht bei der Bemessung der für die Rettung Ouri Jallows zur Verfügung stehenden Zeit nicht bedacht, dass der Rauchmelder bereits Minuten vor dem Entzünden der Schaumstofffüllung der Matratze, das innerhalb von zwei Minuten zu einem tödlichen Inhalationsschock führte, möglicherweise bereits dadurch ausgelöst worden war, dass der schwer entflammbare Matratzenbezug zunächst unter Verwendung eines Gasfeuerzeuges angeschmolzen wurde, um die Schaumstofffüllung freizulegen. Dann hätte der Angeklagte aber möglicherweise den Todeserfolg verhindern können, wenn er sofort nach dem Alarm die erforderlichen Rettungsmaßnahmen eingeleitet hätte. Der 4. Strafsenat hat im Übrigen die Annahme des Landgerichts beanstandet, der Angeklagte habe sich pflichtgemäß verhalten, obwohl er den Alarm zunächst wegdrückte, anschließend ein Telefongespräch mit seinem Vorgesetzen führte und danach auf dem Weg zu dem Gewahrsamsbereich umkehren musste, weil er vergessen hatte, die Fußfesselschlüssel mitzunehmen.

Der Bundesgerichtshof hatte den Fall an das Landgericht Magdeburg zurückverwiesen, dort muss sie nun neu verhandelt werden.  Die Große Strafkammer in Magdeburg hat zunächst 20 Verhandlungstage bis zum 26. Mai 2011 terminiert.

Was geschah in Zelle Nr. 5?

Er habe sich selbst angezündet, sagt die Polizei. Aber wie sollte das gehen, gefesselt, ohne Feuerzeug?, fragen andere. Vor sechs Jahren starb Oury Jalloh, Asylbewerber aus Afrika. Wie es dazu kam, blieb ungeklärt – und wird nun neu verhandelt.

Der Vertreter der Landesregierung hatte sein Beileid ausgesprochen und war dabei zu gehen, als er Holz splittern hörte. Die Menschen in der Kirche versuchten, den Sarg zu öffnen. „In dem Zusammenhang war dann Schreien zu hören“, sagt der Landesvertreter, ein Abteilungsleiter aus dem Innenministerium von Sachsen-Anhalt. Schreien vor Entsetzen. Denn der Tote im Sarg war vollkommen verkohlt. Das hatten sie nicht gewusst.

Der Tote: Oury Jalloh, geboren 1968 in Kabala, Sierra Leone. In der letzten Phase des Bürgerkriegs entschloss er sich zur Flucht nach Guinea. Die Eltern lebten schon dort. Sie schickten den Sohn Oury weiter nach Europa. Dafür legten sie Geld zusammen. Als Oury aus Deutschland anrief, freuten sie sich. Oury Jalloh stellte einen Asylantrag und bekam ein Bett im Asylbewerberheim Roßlau, Sachsen-Anhalt. Sechs Jahre später, am 7. Januar 2005, ist er tot. Verbrannt in Zelle fünf des Polizeigewahrsams Dessau, bei lebendigem Leibe. Er habe sich selbst angezündet, sagte die Polizei.

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