Bildende Kunst für die Erinnerung

Gelsenkirchen: Projektgruppe Stolpersteine bringt Gunter Demnigs Kunst in den öffentlichen Raum

Stolpersteine sind ein Kunstprojekt des Bildhauers Gunter Demnig für Europa. Seit 2009 werden die kleinen Denkmale von einer zivilgesellschaftlichen Initiative auch in Gelsenkirchen verlegt. „Die Stolpersteine sprechen mit uns, still, leise und unaufdringlich, 365 Tage im Jahr, rund um die Uhr. Eine ihrer Botschaften lautet: Zur Mahnung an uns, jeder Missachtung des Lebens und der Würde des Menschen mutig und ohne Zögern entgegenzutreten.“ so lautet das einhellige Credo der Projektgruppe des Gelsenzentrum , einem gemeinnützigen Verein für regionale Kultur- und Zeitgeschichte in Gelsenkirchen.

Erinnern für die Zukunft

Flächenbündig in die Gehwege eingelassen sind Stolpersteine Erinnerungszeichen, die zusammengenommen ein außergewöhnliches, dezentrales Denkmal bilden. Es entsteht langsam, ist auf viele Orte und Länder Europas verteilt und fügt sich erst im Kopf des Betrachters zu einem Ganzen. Seit 2009 ist auch Gelsenkirchen Teil dieses weltweit größten dezentralen Denkmals. Die Stolpersteine markieren Erinnerungs- und Lernorte im öffentlichen Stadtraum. Sie werden genau dort verlegt, wo einst die Menschen wohnten, die in der Zeit der NS-Gewaltherrschaft diskriminiert, verfolgt, vertrieben, verschleppt oder ermordet wurden. „Meine Kunst liegt jedem zu Füßen“ sagt Bildhauer Gunter Demnig, „Dort, wo die Menschen ihren Lebensmittelpunkt hatten, ihr Zuhause, genau dort wird Vergangenheit mit Gegenwart konfrontiert.“ Der Gelsenkirchener Stolperstein-Projektleiter Andreas Jordan ist überzeugt: „Stolpersteine erinnern für die Zukunft, denn Niemand kann aus der Vergangenheit seines Volkes austreten.“

Bildhauer und Spurenleger Gunter Demnig bei der Verlegung von Stolpersteinen im Gelsenkirchenener Kreativ.Quartier Ückendorf im Mai 2019. Foto: Andreas Jordan, Gelsenzentrum e.V.

Demnigs Kunstprojekt ist weltweit anerkannt, in Gelsenkirchen jedoch tut man sich von Seiten der Stadtverwaltung und der Politik mit dieser Form der Erinnerung auch nach mehr als zehn Jahren Stolpersteinverlegungen in unserer Stadt noch immer schwer. Es wird wohl noch weitere Zeit ins Land gehen, bevor die Verantwortlichen auch in Gelsenkirchen akzeptieren, was Stolpersteine auch sind: Kunst im öffentlichen Raum, getragen von bürgerschaftlichem Engagement und eben nicht von „Oben“ verordnete „offizielle“ Erinnerungskultur. Peter Rose, Gelsenkirchener Kulturdezernent a. D. hat dazu einmal folgendes geschrieben: „Ich halte die Stolperstein-Idee wegen ihrer alltäglich gegenwärtigen dezenten Anstößigkeit zum Nachdenken als zivilgesellschaftliches Projekt für geeigneter als die offiziellen Gedenkstätten, an denen von Amts wegen gelegentlich „pflichtgemäß“ und repräsentativ das zeremonielle Abfeiern erfolgt.“

Menschen wie du und ich

Besonders für die jüngeren Generationen bieten Gunter Demnigs Stolpersteine eine ganz besondere Möglichkeit zur Auseinandersetzung mit der NS-Gewaltherrschaft und der Erinnerung an Opfer nationalsozialistischer Verfolgung. Am Projekt beteiligte Schülerinnen und Schüler finden so einen ganz direkten Zugang zur lokalen NS-Geschichte. Die Beschäftigung mit einzelnen Personen oder Familien beispielsweise im Unterricht kann dazu beitragen, die abstrakte Zahl von mindestens dreizehn Millionen Ermordeten innerhalb der verschiedenen Verfolgtengruppen zu realisieren. Jeder einzelne Mensch hatte seine individuelle Lebens- und Leidenswege, viele waren in demselben Alter wie die Jugendlichen, die sich heute am Projekt Stolpersteine beteiligen. Für die Schülerinnen und Schüler handelt es sich durch die intensive Beschäftigung mit dem Thema im Rahmen des Projektes Stolpersteine nicht mehr um anonyme Opfer, sondern um Menschen wie du und ich.

Mitwirkende der Gelsenkirchener Projektgruppe Stolpersteine reflektieren den Verlegetag 2019 im Kunstmuseum Gelsenkirchen gemeinsam mit dem Urheber der Stolpersteine Gunter Demnig. V.l.n.r.: Andreas Jordan (Projektleiter), Gunter Demnig (Bildhauer), Heike Jordan (Aktivistin) und Juri Zemski (Kantor). Foto: Jesse Krauß
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