Das vergessene Massaker

Im August 1944 töteten deutsche Soldaten aus Rache 124 Einwohner des französischen Dorfes Maille. Ein Verbrechen, das nie gesühnt wurde. Nun ermittelt ein deutscher Staatsanwalt vor Ort

Die Handvoll Straßen zwischen Kirche, Rathaus und Bahnhof an der Bahnstrecke zwischen Paris und Bordeaux sind schnell erkundet. Und vielleicht hat die Gesichtslosigkeit von Maille in der Touraine mit dazu geführt, dass selbst die Geschichte diesen Ort vergessen hatte.

Mit ihrem Kummer waren die Menschen von Maille jahrzehntelang allein geblieben. Jedes Jahr, am 25. August, wenn Paris den Tag seiner Befreiung von deutscher Besatzung ausgelassen feiert, kommt der Schmerz in Maille wieder hoch, fließen die Tränen. Ausgerechnet an diesem Tag, als die Befreiung schon zum Greifen nah schien, hörte das alte Maille auf zu existieren. Morgens um 9 im August 1944 umstellten deutsche Soldaten das Dorf mit seinen gut 600 Einwohnern, durchkämmten anschließend jedes Haus, jeden Keller, jeden Garten, ermordeten Männer, Frauen, Kinder. Das Jüngste war drei Monate.

124 Menschen starben bei diesem Massaker, das bis in die Mittagsstunden dauerte. Anschließend feuerte die Artillerie noch bis in den Abend auf die 60 Häuser von Maille. Ganze Familien wurden an diesem Tag ausgelöscht. Ihre Namen, ihr Alter liest man heute auf dem großen Gedenkstein, der den Friedhof prägt. Jetzt, knapp 64 Jahre danach, wird die Vergangenheit wieder lebendig, taucht Maille aus dem Schatten des Vergessens auf. Der Dortmunder Staatsanwalt Ulrich Maas, der die NRW-Zentralstelle für die Verfolgung von NS-Verbrechen leitet, wird Mitte Juli, zusammen mit zwei Beamten des Stuttgarter Landeskriminalamts, im Dorf erwartet. Das Kriegsverbrechen von Maille, in Frankreich längst zu den Akten gelegt, soll nicht ungesühnt bleiben, auch wenn die Hoffnung nach so vielen Jahrzehnten naturgemäß gering ist, noch Schuldige für ihre Tat sühnen zu lassen. Die Aktenlage ist dünn. Kein Historiker, kein Staatsanwalt hat sich groß für Maille interessiert, das in der Liste der französischen „Märtyrer-Dörfer“ gleich hinter Oradour-sur-Glane stehen müsste. In Oradour wütete die SS. Der ganze zerstörte Ort ist bis heute ein viel besuchtes Mahnmal.

MASSAKER VON ORADOUR-SUR-GLANE

Kriegsverbrecher Heinz Barth gestorben

Im Zweiten Weltkrieg war er an einem der schlimmsten Verbrechen beteiligt: SS-Obersturmführer Heinz Barth und seine Schergen töteten in dem französischen Dorf Oradour-sur-Glane 642 Menschen. Jetzt ist der Massenmörder im Alter von 86 Jahren gestorben.

Gransee – Heinz Barth starb bereits am 6. August 2007, wie der Pfarrer des brandenburgischen Gransee, Heinz-Dieter Schmidtke, heute sagte. Im Juni 1944 war Obersturmführer der Waffen-SS Barth an einem Massaker mit 642 Todesopfern in dem französischen Dorf Oradour-sur-Glane beteiligt. Dafür wurde er 1983 von einem DDR-Gericht zu lebenslanger Haft verurteilt. 1997 kam Barth auf freien Fuß.

Kurz nach dem Massaker war Barth schwer verwundet worden. Er verlor ein Bein, eine Schulter blieb steif. Dafür erhielt er nach dem Fall der Mauer als Kriegsversehrter von 1991 bis 1998 eine Zusatzrente, was für Empörung gesorgt hatte. In der DDR lebte er lange unter falschem Namen. Erst nach Jahrzehnten flog seine Tarnung auf.

In Oradour-sur-Glane nahe Limoges hatte die zweite SS-Panzerdivision „Das Reich“ die Männer des Dorfes erschossen. Frauen und Kinder wurden in eine Kirche getrieben, die die SS-Leute in Brand steckten. Oradour-sur-Glane wurde zum Symbol für deutsche Kriegsverbrechen in Frankreich. dpa

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