Im November 1970 kommen drei ehemalige Häftlinge des KZ Sachsenhausen nach Jamlitz. Sie wollen erkunden, ob man dort, wo sich bis 1945 ein Außenlager des KZ befand, eine offizielle Gedenkstätte einrichten kann.
Die drei Abgesandten stoßen auf ein Gerücht unter den wenigen hundert Dorfbewohnern In Jamlitz, ein Dorf im Südosten Brandenburgs: Angeblich gibt es ein großes Massengrab mit KZ-Opfern, die im Februar 1945 von der SS ermordet wurden. Damit besteht Handlungsbedarf für die DDR-Behörden; also werden die Toten des KZs exhumiert, insgesamt 577 Körper, überwiegend von ermordeten jüdischen Zwangsarbeitern.
So weit, so normal im historisch kontaminierten Deutschland. Was danach passiert, ist allerdings alles andere als normal. Ein Mitarbeiter der Ost-Berliner Generalstaatsanwaltschaft verfasste seinerzeit einen Vermerk: „Die Opfer bei Staakow weisen zum Teil viel Zahngold auf. Dieser Faktor darf bei einer Umbettung nicht ganz unbeachtet bleiben.“ Er bleibt nicht unberücksichtigt: Den weitgehend verwesten Leichen entnehmen Männer der Staatssicherheit insgesamt 1080 Gramm Zahngold, bevor die Leichen entgegen dem jüdischen religiösen Recht eingeäschert werden. schließlich wird das Gold einer „Abteilung Finanzen“ übergeben, wie ein erhaltenes Stasi-Protokoll beweist.
Der ortsansässige Historiker Andreas Weigelt hat diese Erkenntnisse seit 1999 dokumentiert. Auch ein Schülerforschungsprojekt der Amadeu Antonio Stiftung hatte vor zwei Jahren die diesbezüglichen Stasi-Akten durchsucht und war auf ein besonders groteskes Dokument gestoßen, das bestätigt, worauf Weigelt bereits hinwies: Der geldgierige DDR-Geheimdienst hatte registriert, dass viele der Gebisse Zahngold enthalten und beschloss, diese herauszubrechen. So wurde laut einem Übergabeprotokoll am 2. Juni 1975 „eingeschweißt in einem Plastebeutel“ 1080 g. Zahngold „zur Abverfügung“ an die Abteilung Finanzen der damaligen Stasi-Hauptabteilung IX/12 übergeben, also rund ein Kilogramm. Was mit dem Erlös geschah, ist nicht festgehalten.
Erschütternd daran: Nicht wesentlich anders haben es auch die Nazis gehalten der SS-Hauptsturmführer Bruno Melmer lieferte ab 1942 insgesamt 76 Mal Zahngold bei der damaligen Reichsbank ab. Es war in den Vernichtungslagern aus den Kiefern ermordeter Juden heraus gebrochen worden.
Quellen: Newsletter der Amadeu Antonio Stiftung, Website www.die-lager-jamlitz.de, Forschungsbericht Andreas Weigelt