Familie Gompertz, früher Gelsenkirchen

Lebensgeschichtliche Erinnerungen einer jüdischen Familie

Die Geschichte der jüdischen Familie Gompertz kann bis ins Jahr 1765 verfolgt werden, als in Issum am Niederrhein Alexander Gompertz geboren wurde. Er war der Großvater von Gumpel Gompertz, der 1820 in Uerdingen (ab 1929 Stadtteil von Krefeld) geboren wurde. In den 80er Jahren des 19. Jahrhunderts kam  der älteste Sohn  von Gumpel und Henriette Gompertz, Albert Gompertz, geboren am 20. Mai 1857 in Krefeld, nach Gelsenkirchen, um hier eine Familie zu gründen. Er heiratete in Gelsenkirchen Sophie Rubens und führte das Pelzhaus Gompertz an der Bahnhofstrasse 22 in Gelsenkirchen. Albert starb 1920 an den Folgen einer Grippe, seine Frau Sophie starb 1927. Beide sind auf dem alten jüdischen Friedhof an der Wanner Strasse in Gelsenkirchen-Bulmke beigesetzt. Das Ehepaar hatte fünf Kinder, der älteste Sohn, Leo Gompertz, heiratete Betty Rubens. Aus dieser Ehe  gingen drei Söhne hervor, Albert, der Erstgeborene, Fritz und Ralph.

Nach der Machtübergabe 1933 an die Nazis war auch die Familie Gompertz der Ausgrenzung und dem Verfolgungunsdruck durch die Nazis ausgesetzt. Nachdem auch das Pelzgeschäft in der so genannten „Kristallnacht“ am 9. November 1938 – wie alle Geschäfte jüdischer Inhaber – zerstört worden war, entschloß sich Vater Leo, den die Nazis nach den Pogromen im November 1938 enteigneten, mit seiner Familie Deutschland zu verlassen. 1939 konnte die Familie noch rechtzeitig Gelsenkirchen bzw. das von den Nazis besetzte Europa über die Niederlande verlassen und so der Verschleppung und Ermordung in den Konzentrationslagern durch Auswanderung in die USA entkommen.

Leo Gompertz setzte sich im Dienste des Judentums nach 1945 besonders für die Überlebenden Juden in Gelsenkirchen ein und hat so den Wiederaufbau der jüdischen Gemeinde Gelsenkirchen nach dem 2. Weltkrieg erst möglich gemacht. Als Vorsitzender des „Relief Commitee for Jews in Gelsenkirchen“ in New York organisierte Leo Gompertz in den ersten Nachkriegsjahren immer wieder Geld- und Lebensmittelspenden für die 75 in Gelsenkirchen lebenden Juden.

So schreibt z.B. die jüdische Exil-Zeitung „Der Aufbau“ 7. Mai 1948, Zitat:

New York: Relief Committee for Jews in Gelsenkirchen

Chairman: Leo Gompertz, 282 Cabrini Blvd., New York 33.

Unsere letzte Reliefsendung von ca. 750 Pfund Lebensmitteln ist anfangs Januar in Gelsenkirchen durch das dortige Komitee zur Verteilung gelangt. Aus den Dankschreiben ersehen wir, welche Freude diese Gaben bei den 75 Bedachten ausgelöst haben. Das jüdische Hilfskomitee hat in jeder Beziehung vorzügliches geleistet und auch die Friedhöfe wieder in beste Ordnung gebracht. Wollen Sie von der letzten Ruhestätte Ihrer Lieben ein Photo, schreiben Sie an uns und Sie werden die Aufnahme schnellstens erhalten. Wie sehr unsere Hilfe von Nöten ist, können Sie am besten beurteilen, wenn wir die Gelsenkirchner selbst zu Ihnen sprechen lassen. Dafür geben wir Ihnen nachstehend einige Auszüge von Briefen aus Gelsenkirchen:

„. . . Ich danke Ihnen herzlich für die übersandte Spende. Es war einmal wieder eine schöne Hilfe für uns, denn leider haben sich die Verhältnisse im Ruhrgebiet noch nicht gebessert. . . .“‚

„Hätten wir vor allen Dingen nicht Ihre Spenden, dann sähe es in unseren Reihen böse aus.“

In einem Schreiben, das von allen 75 Empfängern unserer Spenden unterzeichnet ist, heisst es:

„. . . Ihre Hilfe ist für uns alle eine Ermunterung, auszuhalten, wenn wir wissen, dass Freunde im Ausland wohnen, die an uns denken und auch zu opfern für uns bereit sind. Vergessen Sie uns bitte nicht. . . .“

Wir haben dem nichts hinzuzufügen. Zeigen wir uns dem Schicksal, das uns hierher geführt hat, dankbar. Geben Sie uns die Möglichkeit weiter zu helfen und senden Sie bald wieder einen Scheck an unseren Schatzmeister, Max Klein, 384 Knickerbocker Avenue. Brooklyn, N. Y. Gez. Otto Guthmann, Sekretär. 504 West 173rd Street, New York 33. N. Y.

Die Familie Gompertz hat dem Gelsenzentrum e.V.  freundlicherweise die niedergeschriebenen, lebensgeschichtlichen Erinnerungen von  Albert und Fred Gompertz in der amerikanischen Orginalfassung zusammen mit Fotografien und Dokumenten zur multimedialen Aufbereitung und Publizierung auf der Internetpräsenz des Gelsenzentrum e.V. zur Verfügung gestellt. Die Texte geben in Auszügen Erinnerungen von Albert und Fred Gompertz wieder. Zahlreiche Dokumente und Fotos ergänzen die lebensgeschichtlichen Schilderungen der Brüder Gompertz und dokumentieren den Neuanfang der Familie in Amerika.

Die lebensgeschichtlichen Erinnerungen wurden als Familiengeschichte für die Kinder, Enkel und nachfolgenden Generationen niedergeschrieben und mit den Erzählungen von Vater Leo Gompertz ergänzt. Die Geschichte und Verfolgung der Familie Gompertz in Nazi-Deutschland soll nach dem Wunsch von Albert Gompertz der heutigen und den künftigen Generationen eine Warnung sein.

→ Memoirs of Albert Gompertz – „From Nazi-Germany To Amerika“

→ Fred Gompertz – My Story

→ Leo Gompertz, jüdischer Aktivist

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