John Chillag starb am 21. März 2009 im St Gemma’s Hospice in Leeds, UK.
John Chillag wurde 1927 in Wien geboren. Im Jahr 1934, kurz nach dem gescheiterten Versuch der Nazis, die österreichische Regierung zu stürzen, ging Johns Familie nach Györ in Ungarn. Er war 17 Jahre alt, als am 19. März 1944 die Nationalsozialisten Ungarn besetzten. Unmittelbar nach der Besetzung begannen die Nazis, die anti-jüdischen „Nürnberger Gesetze“ umzusetzen. Für John bedeutete dies unter anderem, dass er nicht weiter die Schule besuchen konnte.
Im April 1944 wurde in einem Bezirk von Györ ein Ghetto errichtet, auch Johns Familie und 5000 weitere Juden (10 Prozent der Stadtbevölkerung von Györ) wurden in das Ghetto eingewiesen. John lebte nun mit 35 anderen Familienangehörigen in einem Haus. Trotz der beengten Verhältnisse waren sie glücklich, weil sie so zusammen bleiben konnten.
An einem Tag im Mai wurde die ganze Familie und alle anderen Bewohner brutal auf den zentralen Platz des Ghettos zusammen getrieben, wo sie durchsucht wurden und man ihnen alles wegnahm, was sie bei sich trugen. Anschließend wurden die Menschen in ein anderes Ghetto am Stadtrand von Győr gebracht.
Nur wenige Tage nach dem D-Day, am 11. Juni 1944, wurden die Bewohner des Ghettos gezwungen, in die am Rangierbahnhof von Györ stehenden Viehwaggons zu steigen. Ihr Ziel war Auschwitz-Birkenau. John, sein Vater und ein Onkel überlebt die Selektion von Dr. Mengele. Die anderen (über 30) Mitglieder der Familie wurden, so sagte man ihnen, in ein „Familien-Lager“ deportiert. Doch schon bald erfuhr John von den Mitgefangenen, das seine Familie nicht in ein anderes Lager gebracht worden war, sondern dass sie in den Gaskammern von Auschwitz ermordet worden waren.
Nachdem sie etwa 3-4 Wochen in dem Lager waren, wurden John Chillag und sein Vater nach Deutschland deportiert. Sie sollten zur Sklavenarbeit in deutsche Rüstungsbetriebe eingesetzt werden. John und sein Vater waren unter den 270 Sklavenarbeitern, die in ein Außenlager des KZ Buchenwald beim „Bochumer Verein“, einer Rüstungsschmiede in Bochum, deportiert wurden. Unter schwierigsten Bedingungen mußten die Menschen dort in 12-Stunden-Schichten arbeiten. So mußten sie ohne jedwede Schutzkleidung 1000 ° Celsius heiße, rotglühende Stahl-Barren verarbeiten. Auch wenn es mehr Essen gab als in Auschwitz, war es doch kaum genug, um zu überleben. Als Folge dieser Umstände wurde John’s Vater sehr schwach und starb im Dezember 1944.
Als im März 1945 die alliierten Truppen den Rhein überquerten, wurde das Außenlager „evakuiert“, John und die anderen Häftlinge wurden ins KZ Buchenwald gebracht. Zu dieser Zeit war er sehr schwach und es schien, dass er den Horror der Vernichtungslager nicht überleben würde. Die amerikanischen Truppen befreiten Buchenwald am 11. April 1945. John war nicht mehr in der Lage, sich alleine von seiner Pritsche zu erheben, – er wog nur noch 25 kg. Nach zahlreichen Bluttransfusionen überlebte John, „Wie durch ein Wunder“, wie er selbst sagte.
Nach dem Zweiten Weltkrieg ging John zurück nach Ungarn, in der Hoffnung, dass jemand aus seiner Familie den Holocaust überlebt hat. Doch niemand hatte überlebt. Später flüchtete er vor dem kommunistischen Regime in Ungarn und wanderte nach Australien aus. Dort heiratete er und ging später mit seiner Frau und seinen Kindern nach England. In den letzten Jahren hielt John Vorträge in Schulen und vor anderen Gruppen und führte viele Gespräche über seine Erlebnisse in der Shoa in der Hoffnung, dass jüngere Generationen aus seinen Vorträgen und Berichten etwas lernen, lernen für eine bessere Zukunft.
John Chillag schrieb am 31. Juli 2008 an GELSENZENTRUM:
„Zwei meiner Verwandten, ungarische Jüdinnen, waren Zwangsarbeiterinnen bei der Gelsenberg Benzin AG, und sind wahrscheinlich durch Bombardierung am 11. September 1944 ums Leben gekommen. Sie waren: Paula Schwartz geboren am 30. November 1920, Häftlingsnummer 11050 und Jolán Schwartz geboren am 18. November 1922, Häftlingsnummer 11415. Haben Sie Informationen darüber?“
Zitat aus dem Antwortschreiben von GELSENZENTRUM:
Sehr geehrter Herr Chillag, (…) Leider muss ich Ihre Vermutung bestätigen, die von Ihnen genannten Frauen, Paula Schwartz und Jolan Schwartz sind bei den Bombardierungen zwischen dem 11. und 13. September 1944 getötet worden. Ihre Namen finden sie auf der virtuellen Gedenktafel (VirtualVoices) für die Opfer vom Gelsenberglager, Außenlage des KZ Buchenwald in Gelsenkirchen (…)
John Chillag hat seine Erlebnisse in einem Buch dokumentiert:
The Odyssey of John Chillag