Heikle Erinnerung

Die Gesamtschule Horst erhielt jetzt eine Gedenktafel als „Erinnerungsort”. Darauf ist auch von Werner Mölders zu lesen, einem Gelsenkirchener und Kriegshelden des Nazi-Regimes

Geschichte kann eine spannende, mitunter heikle Angelegenheit sein. Das belegt die Entstehung einer Gedenktafel, die jetzt an der Gesamtschule Horst (Eingang Industriestraße) angebracht wurde.

Schüler der Jahrgangsstufe 13 hatten sich im Vorfeld mit einem möglichen Text über diesen „Erinnerungsort”, ihre Schule, beschäftigt und waren dabei auch auf den Namen Werner Mölders gestoßen.

Mölders, in Gelsenkirchen geboren, war einer der berühmtesten Jagdflieger vor („Legion Condor”) und im 2. Weltkrieg. Und nach ihm wurde die Schule im Januar 1942 benannt. Mit „Rücksicht auf seine Familie”, so hieß es jetzt, sei der Schüler-Text vom Institut für Stadtgeschichte – zusammen mit Stadt und Demokratischer Initiative Träger der Aktion „Erinnerungsorte” – bearbeitet worden.

Und so wurde aus Mölders auf dieser Tafel denn auch eher Opfer denn Täter. „Im Nationalsozialismus”, so heißt es jetzt, „entsprach er trotz christlich-katholischer Bindungen den soldatischen Idealen der Zeit und ließ sich durch das Regime instrumentalisieren.”

Einmal, so Schulleiter Dirk Steinwede, habe Mölders „die nach ihm benannte Schule auch besucht, vermutlich als er seine Eltern in Rotthausen besuchte”. 20 Jahre später, 1964, wurde die dort untergebrachte Realschule nach den Geschwistern Hans und Sophie Scholl benannt, die wegen ihres Widerstandes gegen das Nazi-Regimes hingerichtet wurden. Auf die Frage, warum nicht auch die 1985 an dieser Stelle gegründet Gesamtschule den Namen übernommen habe, sagte Steinwede der WAZ: „Es war damals Prinzip, nur die Stadtteile als Namen zu nehmen.”

Auszüge aus dem Text der Gedenktafel „Geschichte eines Schulstandortes” an der Gesamtschule Horst:

„An diesem Standort befindet sich seit 1928 eine Schule. Das erste Gebäude wurde für die Horster Rektoratsschule gebaut, die seit 1882 schon eine wechselvolle Geschichte an verschiedenen Orten in Horst hinter sich hatte. Ab 1938 wurde die Schule als Oberschule voll ausgebaut, das erste Abitur fand im Schuljahr 1941/42 statt. Während des ,Dritten Reiches‘ wurde die Schule im Januar 1942 nach Werner Mölders benannt. Werner Mölders wurde 1913 in Rotthausen, das 1924 größtenteils nach Gelsenkirchen eingemeindet wurde, geboren. Er war der höchstdekorierte deutsche Jagdflieger des Zweiten Weltkriegs. Im Nationalsozialismus entsprach er trotz christlich-katholischer Bindungen den soldatischen Idealen der Zeit und ließ sich durch das Regime instrumentalisieren.”

„Ab 1964 wurden die Gebäudeteile nach und nach von der neu gegründeten ,Geschwister-Scholl-Schule‘, einer Realschule, bezogen. Diese Schule wurde nach den Geschwistern Hans und Sophie Scholl benannt, die als Mitglieder der studentischen Widerstandsgruppe „Die Weiße Rose“ gegen Krieg, Diktatur und Judenverfolgung protestiert hatten.“

Quelle: Gelsenkirchen-Buer, 19.11.2008, von Christian Scholz

Ziemlich frisch aus www.gelsenkirchen.de : Heikle Erinnerung

Stellungnahme von Dr. Jürgen Priamus zum Beitrag in der WAZ-Lokalausgabe Buer vom 20. November 2008

GE. Im Buerschen Teil der WAZ wird am 20. November 2008 über die Enthüllung der Gedenktafel an der Gesamtschule Horst im Rahmen der Aktion Erinnerungsorte berichtet. In dem Artikel heißt es u.a.: „Und so wurde aus Mölders auf dieser Tafel auch eher Opfer denn Täter. ‚Im Nationalsozialismus … entsprach er trotz christlich-katholischer Bindungen den soldatischen Idealen der Zeit und ließ sich durch das Regime instrumentalisieren.“

Sollte hier durch den Autor Christian Scholz ein Vorgang skandalisiert und dem Institut für Stadtgeschichte Geschichtsklitterung unterstellt werden, ist ein solcher Vorwurf deutlich zurückzuweisen.

Verwunderlich ist insbesondere der Hinweis darauf, dass eine angebliche „Glättung“ des Textes mit „Rücksicht auf seine (Mölders’) Familie“ vorgenommen worden sei. Diese Formulierung wurde zum Erstaunen der bei der Tafelenthüllung anwesenden ISG-Mitarbeiter seitens des Leiters der Gesamtschule Horst gebraucht.

Eine solche Intention ist auf das Schärfste zurückzuweisen und war zu keinem Zeitpunkt Bestandteil irgendwelcher Überlegungen.

Der Begriff der Instrumentalisierung ist im Übrigen eindeutig. Immerhin gehören zu einem Instrumentalisierungsvorgang zwei Seiten: Jemand der instrumentalisiert und jemand, der instrumentalisiert wird, ohne dies zurückzuweisen. Auch ist nicht nachzuvollziehen, aus welchen Gründen seitens der WAZ auf ein Gespräch mit den anwesenden Vertretern des ISG verzichtet wurde, so es denn inhaltlicher Klärung bedurfte.

Wie oberflächlich und, bezogen auf die Fakten, wenig präzise die Berichterstattung der WAZ zu diesem Vorgang ist, wird daran deutlich dass Herr Scholz als Autor des Artikels schreibt, Mölders sei in Gelsenkirchen geboren, obwohl sowohl aus dem Text der Erinnerungstafel als auch aus den Eröffnungsansprachen deutlich hervorgeht, dass Mölders in dem seinerzeit selbständigen Rotthausen zur Welt kam, das 1924 nur zum Teil nach Gelsenkirchen eingemeindet wurde.

Das Institut für Stadtgeschichte hat sich im Übrigen sehr frühzeitig mit der Geschichte Mölders’ befasst und war inhaltlich an einem Gutachten des Militärgeschichtlichen Forschungsamtes beteiligt, das Grundlage für die Aberkennung der Namensgebung des Jagdgeschwaders 74 und der Kaserne in Visselhövede war, die zuvor den Namen Mölders’ trugen.

Dr. Jürgen Priamus

2008/95. Donnerstag, 20. November 2008

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