Rainer Vollath – Erste Lesung im Ruhrgebiet

Schwule Männer im KZ

Am Freitag Abend las Rainer Vollath im Gelsenkirchener Kulturraum „die flora“ aus seinem Buch „Zwei Lieben“ – es war seine erste Lesung im Ruhrgebiet. Der Roman erzählt die Lebens- und Leidensgeschichte des jungen Fritz Weiss. Fritz gehört zu einer in Gelsenkirchen noch weitestgehend unbeachteten Opfergruppe des NS-Regimes: die der schwulen Männer.

Fritz Weiss ist 28 Jahre alt, als er von der Gestapo verhaftet wird. Sieben qualvolle Jahre in den Konzentrationslagern Sachsenhausen und Flossenbürg folgen. Doch auch nach dem Zweiten Weltkrieg ist die Verfolgung schwuler Männer nicht vorbei, erst 1969 wird der „Schwulen-Paragraf“ 175 StGB entschärft, 1994 endgültig abgeschafft. Rainer Vollath erzählt  in „Zwei Lieben“ die Geschichte des Fritz Weiss  im Wechsel zwischen den Zeitebenen der Verfolgung im so genannten „Dritten Reich“ und der Zeit um 1970. Spannend, lebendig und einfühlsam beschreibt der Autor, wie sich Fritz von den in der NS-Zeit erlittenen Qualen befreit und erst im Herbst seines Lebens sein spätes Glück findet.

Im Anschluss an die Lesung sprach Markus Chmielorz (Rosa Strippe Bochum) über den Eindruck, den dieses bemerkenswerte und berührende Buch bei ihm hinterlassen hat. Ein Buch, das mit dazu beiträgt, dass tausende Unbekannte, die wegen ihrer Homosexualität von den Nazis gedemütigt und ermordet wurden, nicht vergessen werden. Markus Chmielorz erinnerte auch an den Tod des letzten schwulen KZ-Überlebenden Rudolf Brazda, der so gerne rosa Hemden anzog – zur Erinnerung an den „rosa Winkel“, den er selbst und Tausende andere schwule Häftlinge im KZ tragen mussten: „Dass ist die Farbe, mit der uns die Nazis abgestempelt haben, daher trage ich besonders gerne Rosa“.

Rudolf Brazda war der letzte schwule Mann, der noch aus eigenem Erleben von Verfolgung und Leid in der NS-Zeit berichten konnte. Von der oftmals schwierigen Recherche  in den Archiven berichtete an diesem Abend abschließend Jürgen Wenke. Seiner privaten Initiative ist es zu verdanken, dass im Ruhrgebiet in letzter Zeit mehrere Stolpersteine zur Erinnerung an schwule Männer, die zu NS-Opfern wurden, verlegt werden konnten. Bei der nächsten Verlegung  in Gelsenkirchen im Herbst 2012 verlegt Gunter Demnig einen ersten Stolperstein für einen Mann aus unserer Stadt, der von den Nazis wegen seiner Homosexualität verfolgt und ermordet wurde – auch hier hat die Rosa Strippe e.V. die Patenschaft übernommen.

Die Buchhandlung Junius hatte für die Lesung, die für die Zuhörerinnen und Zuhörer eine Bereicherung war, eigens einen Büchertisch organisiert. „Zwei Lieben“ ist ein Buch gegen das Vergessen, das man sicherlich nicht so schnell vergisst. Allen, die zum Gelingen dieses Abends beigetragen haben, sei hier nochmals herzlich gedankt.

Rainer Vollath liest in der “flora” Gelsenkirchen

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