Verarbeitete Schaeffler Haare aus Auschwitz?

Schaeffler AG – ein deutsches Unternehmen mit Tradition

Der wirtschaftlich schwer angeschlagenen Schaeffler-Gruppe macht jetzt auch die Vergangenheit zu schaffen. Nachdem der Einsatz von Zwangsarbeitern im Zweiten Weltkrieg publik geworden war, gibt es jetzt einen neuen, furchtbaren Verdacht: Schaeffler soll tonnenweise Haare vergaster KZ-Opfer verarbeitet haben.

Der Automobilzulieferer Schaeffler war anscheinend weit mehr in das politische System des Dritten Reiches verstrickt als bisher angenommen. Das ergeben Recherchen von SPIEGEL TV Magazin in Polen, die an diesem Sonntag, 1. März 2009, um 22.20 Uhr auf RTL ausgestrahlt wurden.

Nachdem bekannt geworden war, dass die von Wilhelm Schaeffler 1940 erworbene Firma im oberschlesischen Kietrz (Katscher) Zwangsarbeiter beschäftigte, bringen polnische Wissenschaftler den Namen Schaeffler nun auch in Zusammenhang mit der Verarbeitung von menschlichen Haaren aus dem KZ Auschwitz.

Menschenhaar

Auf die Textilsparte der damaligen Schaeffler AG richtet sich das Interesse polnischer Historiker, die möglichen Geschäftskontakten des Unternehmens zum Vernichtungslager Auschwitz nachgehen. Die Hinweise betreffen die Verwertung von Menschenhaar in Betrieben der deutschen Textilindustrie. Wie der Historiker Andrzej Strzelecki schreibt, der am Staatlichen Museum Auschwitz-Birkenau (Państwowe Muzeum Auschwitz-Birkenau) tätig ist, wurden nach dem Abzug der Deutschen aus Kietrz 1945 große Mengen Menschenhaar in einer dortigen Fabrik gefunden. Laut Strzelecki handelte es sich um die “Teppichfabrik G. Schoffler AG”. Derselbe Befund ist einer Veröffentlichung des Staatlichen Museums Auschwitz-Birkenau zu entnehmen; dort ist von einer “Teppichfabrik G. Schoeffler AG” die Rede. Der Name “Schoffler” ist für Katscher ebensowenig belegt wie “Schoeffler”; dies gilt nicht zuletzt für umfangreiche Bestandslisten aus dem Milieu der deutschen Vertriebenen, in denen die ab 1945 aus Katscher geflohenen oder umgesiedelten Personen verzeichnet sind. Vielfältig belegt ist hingegen der Name “Schaeffler”.

Industrielle Verwertung

Wie es in der Publikation des Staatlichen Museums Auschwitz-Birkenau heißt, konnten Wissenschaftler an den in Kietrz aufgefundenen Menschenhaaren Zyanwasserstoff nachweisen. Zyanwasserstoff war Bestandteil des Giftgases (”Zyklon B”), mit dem die Nazis ihre Opfer in den Gaskammern ermordeten. In Kietrz wurden zudem mehrere Ballen Haargewebe sichergestellt, die die industrielle Verwertung menschlichen Haares belegen. Ähnliche Verwertungen fanden in verschiedenen Betrieben der deutschen Textilindustrie statt – Andrzej Strzelecki berichtet unter Berufung auf Archivquellen in Polen unter anderem von Produktionen für die Wehrmacht. Das Gewicht der in Kietrz aufgefundenen Menschenhaare gibt Strzelecki mit 1.950 Kilogramm an. Angaben von Historikern zufolge entspricht dies dem Haar von rund 40.000 Menschen.

Nicht aufgeklärt

Dem Staatlichen Museum Auschwitz-Birkenau zufolge wurde die Textilfabrik, in der die Menschenhaare aus Auschwitz gefunden wurden, nach dem Krieg verstaatlicht. Darüber, wie die Haare in die Textilfabrik gelangten, sind keinerlei Details bekannt. Quellen aus dem Polnischen Staatsarchiv in Opole behaupten, dass es sich bei dem nach dem Kriege verstaatlichten Werk um die Schaeffler’sche Textilfabrik gehandelt habe. Eine präzise Aufklärung steht bis heute aus.
Der stellvertretende Leiter der Forschungsabteilung des Museums Auschwitz, Dr. Jacek Lachendro, erklärte gegenüber Spiegel TV, dass Teile (1,95 Tonnen) der noch heute in Auschwitz ausgestellten Haare damaliger KZ-Häftlinge nach Kriegsende in einer Fabrik in dem Ort Katscher gefunden worden waren. Die damals zu Protokoll gegebenen Aussagen über den Fundort zeigten, dass es sich bei der Fabrik um das Unternehmen von Schaeffler handelte, so Lachendro zu Spiegel TV. Lachendro präsentierteinen Tuchballen aus Menschenhaar, der nach Kriegsende auf dem Firmengelände gefunden wurde.

Darüber hinaus gebe es Vernehmungsprotokolle ehemaliger Fabrikmitarbeiter, nach denen im Jahr 1943 zwei Waggonladungen Haare in die Fabrik nach Katscher geliefert worden waren. Spätere Analysen der Haare durch polnische Behörden ergaben, dass es sich um menschliche Haare handelte, in denen sich Rückstände von Zyklon B fanden. Dieses Gift wurde in den Gaskammern von Auschwitz eingesetzt.

Die Ruine der früheren Schaeffler-Fabrik überragt noch heute den Ort Kietrz, der circa drei Autostunden von Auschwitz entfernt liegt. Das Textilunternehmen, das aus der vormals jüdischen Davistan AG hervorgegangen war, war der Grundstein späterer Schaeffler-Firmen und damit des heutigen Familienkonzerns. Nach der Übernahme durch Wilhelm Schaeffler und seinen Bruder Georg begann man auch mit der Produktion von Rüstungsgütern. Zum Kriegsende verlagerten die Schaeffler-Brüder ihr Unternehmen nach Bayern.

Die offizielle Unternehmenshistorie der Schaeffler-Gruppe beginnt erst im Jahre 1946 mit der Gründung des Unternehmens INA. Vor zwei Jahren fertigte der Erlangener Historiker Professor Gregor Schöllgen dann eine Ausarbeitung über die NS-Vergangenheit Schaefflers im Auftrag der Familie an. Während Schöllgen den Einsatz von Zwangsarbeitern in Katscher bestätigt, gibt es seiner Ansicht nach keine Beweise für eine Verbindung zwischen dem Unternehmen Schaeffler und einer Verarbeitung von Menschenhaar aus Auschwitz.

Siehe auch: http://antinazi.wordpress.com/2009/03/02/schaeffler-ag-ein-deutsches-unternehmen-mit-tradition/

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