Zeitgeschichte: „Ich bin ein Rassenschänder“

Vortrag erinnert an Diskriminierung im Nationalsozialismus

In einem Vortrag am Mittwoch in der Dokumentationsstätte „Gelsenkirchen im Nationalsozialismus“  stellte der Historiker Friedemann Rincke auch seine Recherchen zu einer Bildserie aus dem Nürnberger Stadtarchiv vor. Von dem Liebespaar, das auf den Fotos bei einer öffentlichen Anprangerung wegen so genannter „Rassenschande“ abgebildet ist, waren bis dahin lediglich die Namen bekannt, nicht jedoch der Entstehungsort der Fotos.  Erst Friedemann Rinckes Recherchen haben ergeben, dass es sich um einen Vorfall aus dem Jahre 1935 handelt, der sich in Gelsenkirchen ereignete.

Erstmalig veröffentlicht wurde die erschütternde Bildserie in dem 2003 erschienen Buch „Rassenschande“ von Alexandra Przyrembel. Zu diesem Zeitpunkt waren lediglich die Namen der von der Anprangerung Betroffenen bekannt. Zitat:  (… ) Siehe die Photoserie der öffentlichen „Anprangerung“ eines Herrn Rosenberg sowie seiner Freundin Elisabeth Makowiak. Der Ort sowie das Datum des „Prangerumzuges“ sind unbekannt .Neben den Schildern „Ich bin ein Rassenschänder“ und „Ich blonder Engel schlief bei diesem Judenbengel“ ist das „Spiel“ mit den Hüten besonders auffallig: Zunächst haben beide Personen einen Hut getragen, während der Frau im Rahmen der öffentlichen Treibjagd der Hut abgenommen wurde. Rosenberg musste seinen Hut – nun versehen mit der Banderole „Rassenschänder“ – weiter tragen.

Öffentliche Anprangerung eines Liebespaares 1935 in Gelsenkirchen wegen angeblicher “Rassenschande”
(Foto aus dem Privatbesitz von Kurt Neuwald)

Auch der 2001 verstorbene Zeitzeuge und Holocaust-Überlebende Kurt Neuwald hatte bereits Ende der 1980er Jahre von diesem Vorfall berichtet, an die Namen des Paares erinnerte er sich jedoch nicht.  Die Recherchen von Friedemann Rincke zeigen, dass Neuwald sich bei der Jahresangabe geirrt hat. Aus den Erinnerungen von Kurt Neuwald:

„Ich hab zu Hause noch ein Bild, von der Stelle, wo heute die Stadtwerke sind. Da waren es Taxichauffeure, die im Jahre 1933  einen Juden, der hier ein Möbelgeschäft hatte, und eine nichtjüdische Frau, die in dem heutigen WeKa beschäftigt war, ein sehr hübsches Mädchen, dahin geführt haben, und sie haben die beiden auf ein Podest gestellt und haben ihnen Schilder umgehängt. Darauf stand: „Ich, blonder Engel schlief mit diesem Judenbengel“. Ich habe dieses Bild heute noch zu Hause. Danach hat man die beiden durch die Straßen geführt. Ihn hat man ziemlich zerschlagen. Sie ist von Gelsenkirchen weg gegangen. In den meisten Gaststätten, Hotels und Restaurants hingen ja auch Schilder: „Juden unerwünscht“ – Da ging man dann nicht mehr rein“.

Gelsenzentrum: → Aus den Erinnerungen von Kurt Neuwald

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