Überzeugter Nazi ist Namensgeber für Straße in Gelsenkirchen

Karl Wagenfeld, ein Wegbereiter des Nationalsozialismus

Karl wagenfeld, 1936

Namensgeber für Straßen, Plätze und Wege werden mehr und mehr öffentliches Thema. So rückte auch der Dichter, Schriftsteller und Organisator des Westfälischen Heimatbundes Karl Wagenfeld wegen seiner unrühmlichen Rolle während der NS-Diktatur in den Focus der Öffentlichkeit. Nach neueren Erkenntnissen ist Karl Wagenfeld als Namensgeber für eine Straße nicht länger tragbar. Manche Kommunen haben bereits die Konse-quenzen daraus gezogen und nach ihm benannte Straßen umbenannt.

Nach Karl Wagenfeld ist auch ein Weg in Buer benannt. „Es darf nicht sein, das ein Wegbereiter und eine Stütze des NS-Terrorregimes in Gelsen-kirchen noch länger mit einem Straßenschild geehrt wird. Wir fordern die Umbennung des „Karl-Wagenfeld-Weges“ und werden jetzt eine entsprechende Anregung an die Politik auf den Weg bringen.“ sagt ein Sprecher des Gelsenzentrum – Gemeinnütziger Verein für regionale Kultur- und Zeitgeschichte Gelsenkirchen, „Wir schlagen vor, den Weg nach dem Gelsenkirchener Widerständler und Holocaust-Überlebenden Werner Goldschmidt zu benennen.“

Ein Beispiel für die Gesinnung Karl Wagenfelds ist seine Rede „Westfalens Jugend an die Front!“ auf dem Westfalentag auf der Hohensyburg am 16. September 1934, in der er sagte: „Aus Blut und Geist der Heimat, aus bodenverbundener christlich-deutscher Familie, müssen wieder Menschen wachsen, die nichts Anderes als deutsch fühlen, deutsch denken. (…) Dem, was sich als schädlich für die Wiedergeburt des deutschen Menschen, für das Werden deutscher Volksgemeinschaft, in den Weg stellt, ihm Euer Schwert! Es müssen nicht bloß Schädlinge beseitigt, es müssen auch noch viele abseits Stehende gewonnen werden.“

Eine „Kommission Straßennamen“ in Münster kam jüngst zu dem Ergebnis, dass „Karl Wagenfeld sich aus voller Überzeugung, nicht aus opportunistischen Gründen, dem NS-Regime angedient hat. Auf seine Arbeit vor 1933 konnte die nationalsozialistische Ideologie aufbauen.“ Die Forschungsergebnisse der Kommission zu Karl Wagenfeld sind online abbrufbar: Namensgeber: Karl Wagenfeld

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Aufruf: Für die Sobibór-Opfer

Gegen den DB-Boykott: Tausend mal 40 Euro für das Gedenken

In einem aktuellen Aufruf appelliert der „Zug der Erinnerung“ an die deutsche Öffentlichkeit, das Gedenken an die tausenden Opfer der Sobibór-Deportationen zu ermöglichen. Für dieses Gedenken verlangt die Deutsche Bahn AG voraussichtlich 10.000,00 Euro. Weitere 40.000,00 Euro, die der „Zug der Erinnerung“ bereits bisher zahlen musste, hat die DB AG an eine „Bundesstiftung“ unter Kontrolle des Finanzministers weitergereicht – mit der ausdrücklichen Maßgabe, diese Gelder seien auf keinen Fall für den „Zug der Erinnerung“ bestimmt. Eine Förderung des Sobibór-Gedenkens im Mai und Juni hat die „Bundesstiftung“ (EVZ) abgelehnt.

Als „zutreffend“ bezeichnet die Deutsche Bahn AG 2013 folgende Äußerungen:

„Die Inhaftierung von Häftlingen in einem Konzentrationslager und damit der Grundbestand der Freiheitsberaubung lagen außerhalb des Einflussbereichs der Reichsbahn.“

„ … die Exzesse der SS-Bewachungsmannschaften weisen keine innere Verbindung zu dem Umstand auf, dass die Reichsbahn auch Gefangenentransporte durchgeführt“ hat.

(Schriftsatz der Deutschen Bahn AG, Frankfurt a.M., Februar 2013)

Wahr ist: Die „Deutsche Reichsbahn“ hat Mordbeihilfe in mindestens 3 Millionen Fällen begangen. Die „Deutsche Reichsbahn“ war ein kriminelles Staatsunternehmen. Die Systemtäter der „Reichsbahn“ waren Beihelfer des größten bekannten Menschheitsverbrechens. Das Nachfolgeunternehmen der „Deutschen Reichsbahn“ ist die Deutsche Bahn AG (Berlin). Für das Gedenken an die Deportationsopfer der „Reichsbahn“ erhebt die Deutsche Bahn AG Gebühren und weigert sich, dieses Geld an den „Zug der Erinnerung“ zurückzuzahlen.

Wahr ist: Die „Deutsche Reichsbahn“ hat Mordbeihilfe in mindestens 3 Millionen Fällen begangen. Die „Deutsche Reichsbahn“ war ein kriminelles Staatsunternehmen. Die Systemtäter der „Reichsbahn“ waren Beihelfer des größten bekannten Menschheitsverbrechens.
Das Nachfolgeunternehmen der „Deutschen Reichsbahn“ ist die Deutsche Bahn AG (Berlin).
Für das Gedenken an die Deportationsopfer der „Reichsbahn“ erhebt die Deutsche Bahn AG Gebühren und weigert sich, dieses Geld an den „Zug der Erinnerung“ zurückzuzahlen.


Wir bitten um Ihre Unterstützung. Wenn Sie 4 Euro erübrigen können - dieser Betrag ist willkommen! Wenn Sie unter Freunden und Bekannten 40 Euro sammeln - diese Spende wird dem „Zug der Erinnerung“ noch schneller helfen!

Wir bitten um Ihre Unterstützung. Wenn Sie 4 Euro erübrigen können – dieser Betrag ist willkommen! Wenn Sie unter Freunden und Bekannten 40 Euro sammeln – diese Spende wird dem „Zug der Erinnerung“ noch schneller helfen!

Kommen Sie auf die Bahnhöfe, um von den deportierten Kindern und Jugendlichen Abschied zu nehmen u.a. in Braunschweig (29.5.), Wolfsburg (30.5.), Wittenberge (31.5.), Berlin (1.-4.6.), Frankfurt/Oder (5.6.), Magdeburg (6.6.), Hannover (7.6.) und Dortmund (10.-12.6.)

Zug der Erinnerung

Bankverbindung:
Kreissparkasse Köln, BLZ (370 502 99), Kto. 0352 550 392

Tägliche Informationen über den Sammelstand unter: www.zug-der-erinnerung.eu oder www.facebook.com/Zug.der.Erinnerung
(Quelle: Flyer, Zug der Erinnerung)

Völkermord unter Nutzung der Transportkapazitäten der Reichsbahn

Die Deutsche Reichsbahn kassierte für jeden deportierten Juden 4,0 Reichspfennig pro Schienenkilometer. Der Tarif in den Tod entsprach der dritten Klasse. Für Kinder unter vier Jahren wurde nur der halbe Preis einbehalten. Die Deutsche Reichsbahn hat am Völkermord gut verdient. In der Regel mussten die Opfer ihren Transport in die Vernichtungslager selbst zahlen und wenn dies nicht möglich war, hatte das Reichssicherheitshauptamt die Kosten zu tragen.

Beispielweise über eine Bahnstrecke von Paris nach Auschwitz (1.500 Kilometern) wurden zwischen 1942 und 1944 11 000 Kinder in Viehwagons deportiert. Die rund 52-stündige Reise führte unter der Zugnummer „DA-901“ unter anderem über Saarbrücken, Kaiserslautern, Frankfurt am Main, Erfurt und Dresden quer durch Deutschland in den Tod. „DA“ stand abgekürzt für David und diente wie der Davidstern der Kennzeichnung von Judentransporten. An jedem dieser 11.000 Kinder verdiente die Deutsche Reichsbahn, deren Rechtsnachfolgerin die heutige Deutsche Bahn AG ist.

Für ihre Beihilfe zu den NS-Massendeportationen kassierte die „Deutsche Reichsbahn“ Transporteinnahmen in heutiger Höhe von mindestens 445 Millionen Euro, wie der Verein „Zug der Erinnerung“ in einem Gutachten am 6. November 2009 in Berlin vorstellte. Diese Summe wurde den Deportierten, die ihre Verschleppung in zahlreichen Fällen selbst zahlen mussten, nie vergolten. Weder die Bundesrepublik Deutschland, noch das Rechtsnachfolge Unternehmen die Deutsche Bahn AG (DB) hat den Opfern und ihren Angehörigen je eine Entschädigung für die Fahrt „mit der Reichsbahn in Tod“ bezahlt.

„(…) Kurz gesagt, die Funktion der Reichsbahn bei der Vernichtung der Juden eröffnet Fragen über das Wesen des gesamten Nazi-Regimes. In all den Jahren hat man die Reichsbahn nicht als einen beachtenswerten Bestandteil einer politischen Ordnung angesehen , obwohl sie …ein unerlässliches Element in der Vernichtungsmaschinerie bildete…Die tiefgreifende Einbeziehung der Reichsbahn in den Vernichtungsprozess des Dritten Reichs ist eine Tatsache, die nicht länger als nebensächlich und unbedeutend abgetan werden darf…“ (Raul Hilberg in“ Sonderzüge nach Auschwitz“, 1981 S.111)

“(…) Die zuständige Stelle über die Durchführung der Judentransporte teilt mir mit, dass die Fahrtkosten für die Judentransporte aus den Mitteln (…) beschlagnahmten jüdischen Vermögens zu decken sind (...) ” Mit dem geraubten Vermögen jüdischer Menschen wurde unter anderem die deutsche Reichsbahn bezahlt.

“(…) Die zuständige Stelle über die Durchführung der Judentransporte teilt mir mit, dass die Fahrtkosten für die Judentransporte aus den Mitteln (…) beschlagnahmten jüdischen Vermögens zu decken sind…” Mit dem geraubten Vermögen jüdischer Menschen wurde unter anderem die deutsche Reichsbahn bezahlt.

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Gelsenzentrum e.V. trauert um Ehrenmitglied

Zum Gedenken an Anna Ostrowiak

In Memory of Anna Ostrowiak

In Memory of Anna Ostrowiak

Unser Ehrenmitglied Anna Ostrowiak starb am 9. April 2013 nach langer Krankheit. Wir kannten sie als warmherzige, dynamische und intelligente Persönlichkeit, die sich zur Lebensaufgabe gemacht hatte, anderen Menschen zu helfen. Am 20. Dezember 1923 in Polen geboren, erlebte sie den Holocaust in seiner ganzen brutalen Unmenschlichkeit. Ihre Lebens- und Leidenswege und ihr Überleben hat sie für die Survivors of the Shoah Visual History Foundation videografisch festhalten lassen. Der zweiteilige Film ist online abrufbar.

Anna Ostrowiak hat in ihrer Wahlheimat Florida ein Programm mitinitiiert, dass Holocaust-Überlebenden bei der Durchsetzung ihrer Wiedergutmachungs- und Ersatzansprüche gegen die Bundesregierung hilft. Sie sprach fließend Polnisch, Russisch, Deutsch und Jiddisch und verwendete diese Fähigkeiten, um bedürftigen Überlebenden zu helfen. Anna half bei der Antragsstellung, füllte Formulare aus, übersetze und formulierte Widersprüche gegen Ablehnungs-bescheide. In vielen Fällen zahlte sich ihre Beharrlichkeit aus. Sie half Hunderten von Überlebenden dabei, die Leistungen zu erhalten, die diese im Alter dringend benötigten. Sie und ihre Freundin Brenda Sender arbeiteten ehrenamtlich mehr als 15 Jahre für dieses Projekt. Im Dezember 2012 wurden Anna und Brenda von der Greater Miami Jewish Federation mit dem Ehrenamtspreis des Jahres geehrt. Anna Ostrowiak hinterläßt Neffen und Nichten in Brasilien und Israel und ihren Lebensgefährten, den aus Gelsenkirchen-Horst stammenden Herman Neudorf. Wir werden ihr ein ehrendes Andenken bewahren.

In Memory of Anna Ostrowiak

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Bremer Kultur- und Friedenspreis

Journalist Kurt Nelhiebel wird ausgezeichnet

Das Bremer Kulturzentrum „Villa Ichon“ zeichnet den Journalisten, Schriftsteller und Dichter Kurt Nelhiebel mit dem „Bremer Kultur- und Friedenspreis 2014“ aus. Im Mittelpunkt der Arbeit des aus Nordböhmen stammenden Autors stehe die Verständigung mit den osteuropäischen Nachbarn, teilte der Freundeskreis der Villa Ichon mit.

Nelhiebel habe überdies beharrlich davor gewarnt, den Rechtsextremismus zu verharmlosen. Der mit 5.000 Euro dotierte Preis soll ihm im März 2014 übergeben werden. Nelhiebel war lange Zeit Nachrichtenchef von Radio Bremen. Er hat sich ausführlich mit den Ursachen der Vertreibung, mit dem deutschen Widerstand gegen Hitler und den Opfern der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft auseinander gesetzt. Sein neuestes Buch beschäftigt sich wieder mit der Frage, wie bundesweit mit dem Rechtsextremismus umgegangen wird. Die Sorge vor dem Abgleiten Deutschlands in den „Sumpf des Vergessens“ durchziehe wie ein roter Faden alle historisch-politischen Texte des Journalisten, so die Begründung der Jury. Seine Bücher und die meisten seiner Essays veröffentlichte er unter dem Pseudonym Conrad Taler. …weiterlesen

Rufer in der Wüste

Kurt Nelhiebel, Jahrgang 1927, ist einer der letzten noch lebenden journalistischen Beobachter des Auschwitzprozesses. Anfang der 1960er Jahre war Nelhiebel Korrespondent der „Gemeinde“, der monatlichen Zeitschrift der Israelitischen Kultusgemeinde Wien. Für diese berichtete er ab 1963 in 21 Reportagen vom ersten Auschwitzprozess in Frankfurt am Main. Der Prozess ging am 19. August 1965 mit der Urteilsverkündung zu Ende, sechs Angeklagte wurden damals zu lebenslangem Zuchthaus verurteilt, elf bekamen zeitlich befristete Freiheitsstrafen zwischen drei und 14 Jahren, drei wurden freigesprochen. Im Spiegel des Auschwitzprozesses – Wie Neonazismus und Antisemitismus verharmlost worden sind

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Spuren des Unrechts

Gestaltung der nach Opfern und Gegner des NS-Regimes benannten Plätze in Gelsenkirchen

Die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes/Bund der AntifaschistInnen (VVN/BdA) in Gelsenkirchen bringt jetzt eine Anregung nach §24 GO NRW auf den Weg. Darin heißt es unter anderem:

Durch laufende Baumaßnahmen und geplante weitere Maßnahmen des Stadtumbaus sind auch die nach Opfern und Gegnern des NS-Regimes benannten Plätze Heinrich-König-Platz, Margarethe-Zingler-Platz, Fritz-Rahkob-Platz und Leopold-Neuwald-Platz betroffen. Die Bedeutung dieser Plätze sowohl als Orte der öffentlichen Begegnung als auch der Erinnerung an Opfer und Gegner des NS-Regimes gilt es zu bewahren. (…) Weiterlesen und unterstützen!

Die Ausgestaltung der beschriebenen Erinnerungsorte sollte Bestandteil einer vielstimmigen und lebendigen Gedenkkultur in Gelsenkirchen sein. Gelsenzentrum e.V., gemeinnütziger Verein für regionale Kultur- und Zeitgeschichte Gelsenkirchen unterstützt die Anregung des VVN/BdA.

Der Rote Emscherbote: Baustellen der Verfolgung und des Widerstandes in Gelsenkirchen

Neugestaltung Margarethe-Zingler-Platz-Gelsenkirchen

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Sinti und Roma Gedenkstätte: Ort der Erinnerung entsorgt

Schule behauptet: „Gedenkstätte hat nie existiert“

In Wiesbaden lässt eine Schule eine Gedenkstätte für Sinti und Roma still und heimlich abbauen. Nach Protesten wird behauptet, sie habe nie existiert. Sinto Alexander Meyer ist fassungslos: „Ich dachte, Gedenkstätten seien für die Ewigkeit.“ Doch nicht an der Krautgartenschule im Wiesbadener Stadtteil Kostheim. Dort ist eine Gedenkstätte entfernt worden, die an Meyers Mutter Maria Theresia Lehmann erinnerte. Lehmann lebte früher in Kostheim und wurde von den Nationalsozialisten deportiert.

Bis Februar war die Gedenkstätte, die seit sieben Jahren existierte, einer von etwa hundert Orten, die das Dokumentationszentrum der Sinti und Roma in Heidelberg auf seiner Website vorstellt. Doch seit Kurzem ist der Eintrag gelöscht. Darum gebeten hat das Landesschulamt in Wiesbaden mit einem Schreiben vom 7. Februar 2013. Die Gedenkstätte gebe es nicht mehr. (…) … Weiterlesen

Schulleiterin Edith Smetana und das Kollegium der Krautgartenschule nehmen gerne Statements und Kommentare zu diesem Skandal entgegen:

Krautgartenschule im Sampel

Steinernstraße 54, 55246 Mainz-Kostheim, Fon: 06134/603448 Fax: 06134/603449

E-Mail: poststelle@krautgartenschule.wiesbaden.schulverwaltung.hessen.de

Zur Eröffnung der Gedenkstätte schrieb die „Allgemeine Zeitung“ am 28.01.2006:

Den Terror überlebt: Holocaust-Gedenkstätte erinnert an ein Kinderschicksal

KOSTHEIM Im Gedenken an Maria-Theresia Lehmann, die in der Nazi-Zeit in Kostheim lebte, haben Viertklässler der Krautgartenschule mit Schulleiterin Ingar Riechert eine Gedenkstätte für die 1940 Deportierte errichtet. Zur Ausstellungseröffnung war die Familie Lehmann-Meyer gekommen, die auch Familienfotos zur Verfügung stellte. Von Heidi Ulrich.

Das damals elfjährige Mädchen lebte mit ihrer Familie bis zum 16. Mai 1940 im Mainzer Weg 25. Im Morgengrauen wurde die Musikerfamilie zusammen mit etwa 100 Menschen wegen ihrer Zugehörigkeit zur Gruppe der Sinti und Roma ins Konzentrationslager verschleppt. Nach einem Aufenthalt in einem Sammellager in Asperg folgte am 22. Mai 1940 der Transport nach Polen in das Konzentrationslager in Jedrzejow, wo einer der Brüder der kleinen Maria-Theresia ermordet wurde. Sie selbst überlebte den Terror der Nazis und wohnte in Mannheim, wo sie 1999 verstarb.

„Es war eine Herausforderung, dieses Thema mit Viertklässlern zu behandeln“, sagte Schulleiterin Ingar Riechert. Der Versuch gelang, wie ein Blick in den Schaukasten zeigt, in dem Fotos die Deportation der Sinti und Roma aus Amöneburg, Kastel und Kostheim zeigen. Alle Stationen von der Verhaftung über den Transport bis zum Aufenthalt im damaligen Zwischenlager Hohenasperg sind dokumentiert. Daneben zeigen viele Fotos das Leben von Maria-Theresia Lehmann und ihrer Familie.

Unter dem Motto „Vorurteile machen Menschen zu Außenseitern“ fertigten die Schüler Collagen an und brachten ihre Gedanken zum Jahr 1940 und ihre Wünsche für die Zukunft zum Ausdruck. Die Idee, das Schicksal von Maria-Theresia Lehmann nachzuzeichnen, entstand, als in der Ethikgruppe und der evangelischen Religionsgruppe beim Unterrichtsthema Judenverfolgung viele Fragen aufkamen.

Die Arbeit an der Ausstellung hatte Anfang Dezember begonnen. Durch die Lebensgeschichte eines Mädchens gleichen Alters aus dem gleichen Ort solidarisierten sich die Schüler schnell mit ihr. Die NS-Verbrechen wurden so für die Dritt- und Viertklässler begreifbar. Ingar Riechert blickt zurück: „Im Unterricht wurde viel geredet, Fragen gestellt und sowohl über die Gründe von Ausgrenzung, als auch über persönliche Handlungsmöglichkeiten gesprochen.“ Die Gedenkstätte in der Krautgartenschule sei ein Ort des Erinnerns, um das Gedenken zu pflegen und wach zuhalten. Außerdem sei die Ausstellung als Anfang und Inspiration für andere Schulen gedacht, das Thema zu behandeln. Zur Eröffnung trugen die Schüler Verse und Dialoge zum Thema Anders- und Fremdsein vor.

Hartmut Bohrer vom Förderkreis Gedenkstätte unterstützte das Projekt durch seine Recherche. Bis heute hat der Historiker das Schicksal von über 100 deportierten Menschen zusammengetragen. Das Ziel, eine Gedenkstätte für Opfer und Widerstand zu schaffen, ist bisher unerreicht.

Der Vorsitzende des Landesverbands Hessen der Sinti und Roma, Adam Strauß, machte auf eine Ausgrenzung in Schulen aufmerksam: „Ich erlebe es seit drei Generationen: Rassismus wird vom Großvater, zum Vater, zum Sohn weitergegeben. Ein Volk, das seit 600 Jahren im deutsch-sprachigen Raum lebt, wird aus Gründen der ethnischen Zugehörigkeit durch Vorurteile diskriminiert.“ Unterstützung gab es von Stadtrat Helmut von Scheidt: „Die Spurensuche ist der richtige Weg, weil Zahlen zu unglaublich für den Unterricht an der Grundschule sind. Es sollte die Geschichte der Schule und der Stadtteile betrachtet werden.“

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Auf den Spuren der Kinder von Westerbork

Ein Zug fährt durch Deutschland

Vor 70 Jahren deportierte die „Reichsbahn“ tausende Kinder – weil sie Juden oder Sinti und Roma waren. Die „Reichsbahn“-Züge kamen aus einem Nazi-Lager in den besetzten Niederlanden: Westerbork. In verschlossenen Waggons wurden die Menschen durch Deutschland transportiert, darunter auch Kinder aus Gelsenkirchen, Dortmund, Hannover, Magdeburg oder Berlin. Nach drei Tagen erreichten die Züge Sobibór in Ostpolen. In dem Nazi-Vernichtungslager wurden die Kinder sofort nach der Ankunft ermordet.

Der Verein „Zug der Erinnerung“ will im Mai und Juni 2013 auf 10 deutschen Bahnhöfen gemeinsam mit Initiativen und Projektgruppen aus den verschieden Städten von den in Sobibór ermordeten Kindern Abschied nehmen – auf den Bahnhöfen, auf den ihnen vor 70 Jahren niemand half. Von Montag 10. Juni bis Mittwoch 12. Juni 2013 macht der Zug der Erinnerung in Dortmund Station.

Der Zug der Erinnerung ist am Montag und Dienstag von 8 bis 20 Uhr (bei Bedarf länger) sowie Mittwoch von 8 bis 13 Uhr geöffnet. Der Besuch ist kostenlos. Jugendliche Botschafter und Botschafterinnen der Erinnerung begleiten Schulklassen und Jugendgruppen beim Besuch der Ausstellung. „Dortmund wird die einzige Station des Zugs der Erinnerung in NRW sein, so dass wir mit hohen Besucherzahlen rechnen. Wir empfehlen Gruppen und Schulklassen daher, sich frühzeitig anzumelden“, sagt Oliver Hein, Mitarbeiter der Arbeitsstelle ‚Zukunft braucht Erinnerung‘. Gruppenbesuche können unter der E-Mail-Adresse hein.oliver@gmx.net sowie telefonisch unter 0179-3592951 angemeldet werden.

Eine Projektgruppe des Gelsenzentrum e.V. hat sich auf Anregung des „Zug der Erinnerung“ in den letzten Monaten auf Spurensuche nach Kindern aus Gelsenkirchen begeben, die in Sobibór ermordet wurden: „Wir zeichnen die Lebens- und Leidenswege nach, die diese Kinder damals gehen mussten. Beim Aufenthalt des Zuges der Erinnerung in Dortmund erinnern wir an ihren gewaltsamen Tod im Vernichtungslager Sobibór.“

Unterstützung bei der Recherche fand der gemeinnützige Verein beim Internationalen Suchdienst (ITS) in Bad Arolsen. Anhand der dort vorhandenen Unterlagen konnte die Projektgruppe die Namen von neun Kindern und Jugendlichen aus Gelsenkirchen in Erfahrung bringen, die 1943 über Westerbork in das Vernichtungslager Sobibor deportiert und dort ermordet wurden: Lieselotte Grünewald wurde 14 Jahre, Fanni Susanne Günsberg wurde 16 Jahre, Lothar Günsberg wurde 14 Jahre, Karl Werner Kupferschlag wurde 12 Jahre, Hella Grün wurde 13 Jahre, Recha Häusler wurde 13 Jahre, Fanni Landsmann wurde 19 Jahre, Anna Tepper wurde 20 Jahre, Robert Abraham Silberberg wurde 21 Jahre alt. Ernst Levie starb in Auschwitz, er wurde 12 Jahre alt.

Weiterlesen: Auf den Spuren der Kinder von Westerbork

Mit der "Reichsbahn" in den Tod: Über eine Million Kinder und Jugendliche

Mit der „Reichsbahn“ in den Tod: Über eine Million Kinder und Jugendliche

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Sobibór-Gedenken trotz DB-Forderungen

„Zug der Erinnerung“ bittet um Unterstützung – Spendenkampagne gestartet

Trotz eines fehlenden Betrages von über 40 Tausend Euro wird der „Zug der Erinnerung“ ab Ende Mai der Reichsbahn“-Deportationen in das Vernichtungslager Sobibór gedenken. Die Deportationen fanden vor 70 Jahren statt. Die „Reichsbahn“ verschleppte allein im Mai und Juni 1943 mehrere tausend Kinder von Holland zur Ermordung nach Polen. In den verschlossenen Güterwagen saßen holländischen Juden, aber auch Kinder deutscher Emigranten.

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Für das Gedenken an diese „Reichsbahn“-Opfer verlangt die DB AG „Trassen“- und „Stationsgebühren“ in Höhe von über 10 Tausend Euro. Weitere 40 Tausend Euro aus vergangenen Fahrten zahlt die DB AG nicht zurück. Die DB AG verschiebt diese Gelder an Dritte mit der ausdrücklichen Maßgabe, sie seien nicht für den „Zug der Erinnerung“ bestimmt.*

Der Zug wird auf mindestens zehn Bahnhöfen halten (u.a. in Berlin, Braunschweig, Dortmund, Frankfurt/Oder, Hannover, Magdeburg, Wolfsburg,). „Die Bemühungen der Deutschen Bahn AG, das Gedenken von den Gleisen zu bekommen“, seien „vergeblich“, heißt es in einer Pressemitteilung. „Die DB AG ist das Nachfolgeunternehmen der ‚Reichsbahn‘ und historische Erbin der Mordbeihelfer. Das Gedenken an die Sobibór-Opfer lässt sich die DB AG bezahlen und entzieht dem ‚Zug der Erinnerung‘ seine finanziellen Mittel.“

Um die Sobibór-Opfer dennoch zu ehren, setzt die private Bürgerinitiative auf die Unterstützung der deutschen Öffentlichkeit und hat eine Spendenkampagne gestartet („1000 x 40 Euro“). Bankverbindung: Kreissparkasse Köln, Kto.-Nr.: 0352 550 392 BLZ: 370 502 99 Der Verein ist beim Amtsgericht Montabaur registriert und wird vom Finanzamt Altenkirchen-Hachenburg als gemeinnützig anerkannt.

* Empfängerin ist die Bundesstiftung „Erinnerung, Verantwortung und Zukunft“ (EVZ). Sie steht unter der Kontrolle des Bundesministers der Finanzen. Die EVZ hat eine Förderbitte für das Sobibór-Gedenken im Mai und Juni abgelehnt.

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Die Macht der Bilder

Verwendung von Fotos im historisch Kontext

Da berichtet die WAZ Gelsenkirchen in einem an sich durchaus lesenswerten Artikel über die Vorstellung des Buches von Michael Bogdal „Europa erfindet die Zigeuner – Eine Geschichte von Faszination und Verachtung“ und illustriert den Artikel mit einem Bild, darunter: „Zigeneuerlager Roma und Sinti an der ehemaligen Beginenstraße in Gelsenkirchen Ückendorf. Foto: Privat“

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(Screenshot WAZ online)

Rechtschreibfehler sind menschlich, sowas kommt vor. Das die „Reginenstraße“ zur „Beginenstraße“ wird – kein wirklicher Beinbruch. Bedenklich ist jedoch die naive Bezeichnung „Zigeunerlager“ und die unreflektierte und unkommentierte Verwendung eines „Täterfotos“. Das von der WAZ verwendete Foto stammt aus einer Serie der „Rassehygienischen Forschungstelle“. Aufgenommen in Gelsenkirchen um 1940, im Hintergrund die Kokerei Alma, zeigt das Foto eine vorgebliche Lebenssituation zeitge-nössischer Sinti und Roma, in Szene gesetzt von den „Rassebiologen“ der „Rassenhygienischen und Bevölkerungspolitischen Forschungsstelle“ (RHF; nach ihrem Leiter „Forschungsstelle Ritter“).

Das die Aufnahme in einem Internierungslager entstand, ist für den Betrachter nicht ersichtlich, der Hinweis fehlt. Verschleiernd wird die Bildherkunft mit „Privat“ angegeben. Tatsächlich war das Internierungslager an der Reginenstraße in Gelsenkirchen ein Ort des Terrors, ein Zwangslager und eben nicht nur einfach ein „Zigeunerlager“, wie es in der Bildbeschreibung heißt. Die sorglose Verwendung solcher Fotos unterstreicht letztlich bestehende Vorurteile gegenüber Sinti und Roma.

Aus einer Reflexion über die Bilder der „Forschungsstelle Ritter“, Zitat: „Zigeunerleben“ wie Ritter und Mitarbeiter es sich vorstellten: Wohnwagen, Elend und Dreck. Diese Art von Fotos sollten die menschenverachtende NS-Darstellung des so genannten „Zigeunerlebens“ unterstreichen. Diese Bilder sind nicht nur selektiv in Ausschnitt und Motiven, die die Fotografen wählten, sondern auch durch die von Repression und sozialer Entrechtung beeinflusst, die ähnlich wie bei der jüdischen Minderheit zu Verelendung, verschärfter sozialer Ächtung, Konzentration an überbelegten Wohnplätzen, Zwangslagern oder Schulausschluß führten. Sie sind kein Abbild der sozialen Lebenswirklichkeit von Roma in Deutschland unter Normalbedingungen. Vergleicht man mit z. B. die realen Wohnsituation der zeitgenössischen Sinti und Roma, so stellt man fest, daß sie in hohem Maße statt in Wohnwagen das Land zu bereisen, in ganz normalen Wohnungen lebten, nicht wenige Sinti und Roma arbeiteten auch in den gleichen Berufen wie die Mehrheitsbevölkerung. Hierzu machte die RHF natürlich keine Bilder. Ihre Fotos sollten belegen, was nachzuweisen war: „Zigeuner“ als unstete „Nomaden“, kollektiv unintegrierbar, unabänderlich festgelegt auf eine primitive „asoziale“ „ziganische“ Lebensweise. Die Bilder haben also in einem hohen Maße inszenatorischen und legitimatorischen Charakter. Sie inszenieren das nationalsozialistische (und mehrheitsgesellschaftliche) Zigeunerphantasma und legitimieren die darauf aufbauend Ausgrenzung und Verfolgung. (…) Die Verwendung dieser Bilder erfordert ein besonders sorgfältiges Vorgehen, was die historische Einordnung, Beschreibung und Verwendung betrifft.“ ( weiterlesen…)

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Platz nach Rosa Böhmer benennen

Sinti und Roma: In Gelsenkirchen fehlt ein Zeichen des Gedenkens

Folgen Verwaltung und Politik dem im April gestellten Antrag von Andreas Jordan, soll der Platz zwischen der City-Wohnanlage „Weißer Riese“ und dem Bildungszentrum schon bald den Namen Rosa-Böhmer-Platz tragen. „Rosa Böhmers Lebens- und Leidensweg soll stellvertretend an die im so genannten „Dritten Reich“ aus Gelsenkirchen verschleppten und ermordeten Sinti und Roma erinnern. Ein „Rosa-Böhmer-Platz“ fügt sich nahtlos in die Reihe der bereits nach Opfern und Gegnern des NS-Regimes benannten Plätze in der Gelsenkirchener Innenstadt ein“ so Jordan.

Das Sinti-Mädchen Rosa Böhmer wurde am 22. September 1933 in Gelsenkirchen geboren. Nach der zwangsweisen Auflösung und Internierung der Familie Böhmer, die in Gelsenkirchen an der Bergmannstraße 34 lebte, kam Rosa Böhmer 1939 zu Pflegeeltern nach Hövelhof (Paderborn). Dort wurde das Kind von Gelsenkirchener Gestapobeamten 1942 aus dem Schulunterricht geholt, in das Internierungslager an der ehemaligen Reginenstraße in Ückendorf gebracht und am 9. März 1943 zusammen mit den dort zwangsweise lebenden Sinti- und Romafamilien nach Auschwitz verschleppt. Dort wurde Rosa Böhmer am 13. August 1943 – nur wenige Wochen vor ihrem 10. Geburtstag – von den Nazis ermordet.

Dokumentation: Rosa Böhmer – Aus der Schule ins KZ

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