Gelsenkirchen: Gedenktafel am Rathaus abgelehnt

Anregung findet keine Mehrheit

Die von Andreas Jordan (Gelsenzentrum e.V.) jüngst angeregte Errichtung einer Gedenktafel am Haupteingang des Hans-Sachs-Hauses, die expliziet auf die vielfältige Beteiligung der Gelsenkirchener Stadtverwaltung an der Verfolgungs- und Vernichtungspolitik im so genannten „Dritten Reich“ verweisen sollte, wurde vom zuständigen Kulturausschuss in der Sitzung vom 1. Februar 2017 mehrheitlich abgelehnt. Begründet wurde die Ablehnung u.a. mit dem Hinweis der Verwaltung auf eine bereits im Foyer des Hans-Sachs-Hauses angebrachte Tafel, die jedoch lediglich die Baugeschichte des Hans-Sachs-Hauses beleuchtet und zudem „verdeckt“ angebracht worden ist.

Kommunale Erinnerungs- und Geschichtspolitik erfordert auch Mut, mit der Ablehnung dieser Gedenktafel wurde eine Chance vertan, jenseits von fragwürdigen Entlastungstrategien eine Deutung der Lokalgeschichte wach zu halten, die nichts abschwächt oder verharmlost. Das es auch anders geht, hat vor einiger Zeit das Polizeipräsidium in Gelsenkirchen-Buer gezeigt. Am Gebäude erinnert nun eine öffentlich zugängliche Erinnerungsorte-Tafel u.a. an die Beteiligung Gelsenkirchener Polizeibeamter während der NS-Gewaltherrschaft in den Polizeibataillonen 65 und 316 an Massenmord und Verbrechen hinter der Front.

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Unter verbranntem Himmel

Autorenlesung mit Greta Sykes

Am Mittwoch, 22. Februar 2017 liest Autorin Greta Sykes ab 19.30 Uhr im Kulturraum „die flora“ in Gelsenkirchen, Florastraße 26, aus ihrem Roman „Unter verbranntem Himmel“. Die Gelsenkirchener Buchhandlung Junius wird die Lesung mit einem Büchertisch begleiten. Der Eintritt ist frei.

Eingebettet in die Familienerzählung von Lene, ihren Geschwistern und Eltern sowie ihren Freunden erleben wir mit ihnen die Erregungen und Tragödien der Zeit, als ob wir in ihnen selbst lebten. Wir treffen viele berühmte Schriftsteller und Sozialisten der damaligen Zeit, wie beispielsweise Paul Loebe, Gertrud Bäumer, Berta von Suttner, Margarethe und Alfred Zingler, den Maler Karl Schwesig, Ernst Eck und Erich Lange.

2015 erschien Greta Sykes erster Roman, zunächst in einer englischen Fassung „Under Charred Skies“, 2016 erschien die deutsche Übersetzung „Unter verbranntem Himmel“. Die Autorin beleuchtet darin Facetten des zeitgenössischen Lebens, Kreativität, Kultur und den Widerstand einfacher Menschen in der Weimarer Republik und der aufkommenden NS-Zeit. Eingebettet in die Familienerzählung von Lene, ihren Geschwistern und Eltern sowie ihren Freunden erleben wir mit ihnen die Erregungen und Tragödien der Zeit, als ob wir in ihnen selbst lebten. Wir treffen viele berühmte Schriftsteller und Sozialisten der damaligen Zeit, wie beispielsweise Paul Loebe, Gertrud Bäumer, Berta von Suttner, Margarethe und Alfred Zingler, den Maler Karl Schwesig, Ernst Eck und Erich Lange.

Greta Sykes, Jahrgang 1944, in Deutschland geboren und aufgewachsen, ging in den 60er Jahren nach London, wo sie studierte und seitdem im akademischen Bereich tätig ist. Als Mitglied der British Psychological Society war sie lange Zeit Repräsentantin für internationale Zusammenarbeit und Redakteurin des Nachrichtenblattes debate. Sie arbeitet als Dozentin am Institut of Education der London University. Seit einigen Jahren engagiert sie sich im Vorstand der Socialist History Society, deren President einst Eric Hobsbawm war. Greta Sykes gehört der Dichtergruppe London Voices an.

„Gelsenkirchen, insbesondere Rotthausen, war für mich als Kind wunderbar. Ich kam in den Ferien aus Hamburg, meine Tante und meinen Onkel Deppermann zu besuchen. Sie hatten eine Bäckerei in der Karl-Meyer-Straße 61 und ich durfte im Geschäft helfen. Nachts schlief ich im Wohnzimmer und schaute immer den Wägelchen mit der Kohle zu, die mit der Seilbahn durch die Luft reisten. Ich lernte die Geschichten meiner Mutter kennen, die eigentlich eher unterhaltsam und friedlich waren und von der Familie handelten. Erst später wurde mir klar, was alle durchgemacht hatten und wovon man damals nie sprach. Ich konnte lange nicht verstehen, wie es dazu kommen konnte, dass so eine starke Arbeiterbewegung und so eine hochentwickelte Kulturlandschaft so einfach von faschistischen Banden zerstört werden konnte. Durch meine Forschungen für das Buch, die ich u.a. im Institut für Stadtgeschichte und im Stadtteilarchiv Rotthausen machte, wurde mir klar, wie sehr diese Banden von Banken und Industriellen unterstützt wurden, sonst hätten die Nazis nie so viel Unheil anrichten können“ sagt Greta Sykes.

Veranstalter: Gelsenzentrum e.V., Gemeinnütziger Verein für regionale Kultur- und Zeitgeschichte Gelsenkirchen
Veranstaltungsort: Kulturraum „die flora“, 45879 Gelsenkirchen, Florastraße 26

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Gelsenkirchen: 75. Jahrestag der Riga-Deportation

Ausstellungshalle am Wildenbruchplatz war Sammellager

Am 27. Januar 1942 vollzog sich mit der Riga-Deportation einer der letzte Schritte zur Vernichtung der jüdischen Gemeinde Gelsenkirchens. Der 27. Januar sollte nach unserem Dafürhalten zum zentralen Gedenktag für die örtliche Geschichte der Shoa werden. Nicht zuletzt symbolisiert dieser Tag exemplarisch auch die kommunale Mitwirkung an der NS-Politik, denn die Stadt Gelsenkirchen hatte als untere Verwaltungsbehörde die NS-Vernichtungspolitik auf kommunaler Ebene umzusetzen.

Einige Tage vor dem Abtransport in das Ghetto Riga wurden die von der Deportation Betroffenen zur Ausstellungshalle an der Wildenbruchstraße verschleppt. In dieser Halle, von den Nazis zum temporären “Judensammellager“ umfunktioniert, wurden rund 360 jüdische Frauen, Männer und Kinder jeden Alters aus Gelsenkirchen eingepfercht, etwa 150 weitere jüdische Menschen wurden aus umliegenden Städten nach Gelsenkirchen transportiert. Die NS-Verfolgungsbehörden stellten in diesen Tagen ab Gelsenkirchen einen der so genannten „Judensammeltransport“ zusammen. Die Menschen wurden im Sammellager ihrer Wertsachen beraubt, Frauen und Mädchen wurden gynäkologisch untersucht, um so jedes mögliche Versteck für Schmuck oder Geld aufzuspüren.

Vor 75 Jahren sahen an diesem 27. Januar in der Ausstellungshalle mehr als 500 eingesperrte Menschen einer schrecklichen, von den Nazis bereits vorbestimmten Zukunft entgegen. Die Menschen wussten nicht, was sie am Bestimmungsort erwarten sollte. Einige Wochen vor der Deportation hatten die Betroffenen bereits Briefe erhalten, darin wurde dem Empfänger mitgeteilt, dass er zur „Evakuierung in den Osten“ eingeteilt ist und sich an einem bestimmten Tag für den Transport bereit zu halten habe.

Die Menschen glaubten zu diesem Zeitpunkt noch an einen Arbeitseinsatz im Osten, wurde doch in dem Brief detailliert aufgelistet, welche Ausrüstungsgegenstände mitzunehmen sind: Schlafanzüge, Nachthemden, Socken, Pullover, Hosen, Hemden, Krawatten, warme Kleidung, Näh- und Rasierzeug, Bettzeug, Medikamente und Verpflegung. Arbeit im Osten, daran glaubte man. Denn Arbeit bedeutet Brot, und Brot bedeutet Leben, bedeutet Überleben, so dachte man. Niemand konnte sich vorstellen, dass das alles nur Lug und Trug war, perfider Teil eines Mordplans, den die Nazis „Endlösung“ nannten. Am frühen Morgen des 27. Januar 1942 wurden die Menschen dann zum alten Güterbahnhof getrieben, ihr Gepäck wurde verladen. Der Zug verließ schließlich Gelsenkirchen in Richtung Riga. Dieser Menschentransport war der erste aus Gelsenkirchen, weitere sollten in den nächsten Monaten folgen.

Juden in Coesfeld, kurz vor der Deportation in das Ghetto Riga am 10. Dezember 1941. Foto: YIVO Institute for Jewish Research, New York.

Die jüdische Bevölkerung mußte den Transport in das Ghetto Riga, der für die meisten eine Reise in den Tod war, selbst bezahlen. Aus dem Nachlass von Lewis R. Schloss sind Benachrichtigungen im Zusammenhang mit der Deportation erhalten. Die staatlich legalisierte Ausplünderung jüdischer Menschen setzte sich auch bei der Deportation fort: Für drei Familienmitglieder mussten 150,- RM als „Gebühr Evakuierung“ und 120,- RM „Transportkosten“ für die Mitnahme der beweglichen Habe gezahlt werden – gegen Quittung. Die Waggons mit den wenigen Habseligkeiten der Verschleppten wurden jedoch bereits in Hannover abgehängt, ihren Besitz haben die Menschen nie wiedergesehen. Diese Dokumente weisen wie kaum andere auf die perfide und zynische Handlungsweise der Nazis, mit der diese die Deportation vorbereiteten und organisierten. Die so genannte „Endlösung“ war zu diesem Zeitpunkt längst beschlossene Sache.

Die Deportationsrichtlinien erließ das Judenreferat des Reichssicherheitshauptamtes. Die örtlichen Stapoleitstellen fassten sie für den lokalen Bereich zusammen und organisierten für ihren Zuständigkeitsbereich den gesamten Abtransport. So waren der Dienstsitz der Stapoleitstellen das Zentrum, zu dem die Judentransporte der umliegenden Städte und Gemeinden zumeist zusammengeführt wurden, um dann den Transport gemäß den Absprachen mit der Deutschen Reichsbahn auf seinen verhängnisvollen Weg zu schicken. Die lokale Schutzpolizei begleitete die Transporte bis nach Riga. Diese Männer waren natürlich in Besitz einer Rückfahrkarte.

Die „Reichsvereinigung der Juden in Deutschland“ und die noch bestehenden jüdischen Gemeinden, die unter dem Kuratel der Gestapo standen, wurden gleichermaßen mit einbezogen. Sie waren gezwungen, die Deportationslisten nach den Richtlinien der Gestapo zusammenzustellen, die dann von der Staatspolizei überarbeitet und genehmigt wurden. Sie „betreuten“ die Menschen bis zum Abtransport in das Ghetto Riga. Die Gelsenkirchener Jüdin Helene Lewek wählte im “Judensammellager” angesichts der bevorstehenden Deportation die Flucht in den Tod. Auf dem Weg nach Riga wurden weitere Menschen an verschiedenen Haltepunkten – u.a. in Dortmund und Hannover – in den Zug gezwungen. Der Deportationszug der Deutschen Reichsbahn erreichte schließlich mit etwa 1000 Menschen am 1. Februar 1942 Riga in Lettland.

Die allermeisten der am 27. Januar 1942 von Gelsenkirchen nach Riga verschleppten jüdischen Menschen wurden von den Nazis ermordet. Die oftmals einzigen Spuren ihres Lebens finden sich heute meist nur noch in den alten Meldeunterlagen der Stadtverwaltung. Es sind verschleiernde bürokratischen Vermerke wie „amtlich abgemeldet“, „nach dem Osten abgeschoben“ oder „unbekannt verzogen“. Es blieben von den Verschleppten nur wenige Menschen am Leben, die zurückkehrten und Zeugnis ablegen konnten.

Heute erinnert an diesem Gelsenkirchener Tatort nichts mehr an das „Judensammellager“ und die Deportation vom 27. Januar 1942. Die von uns im Frühjahr 2014 an den Rat der Stadt Gelsenkirchen gerichtete Anregung, am damaligen Standort des “Judensammellagers” einen Gedenk- und Erinnerungsort zu errichten, ist bisher nicht realisiert worden.

Gedenkstein im Wald von Biķernieki, östlich von Riga/Lettland. Im März 1942 wurden etwa 1.900 „arbeitsunfähige“ Juden aus dem Ghetto Riga unter dem Vorwand, in Dünamünde zu leichter Arbeit bei der Fischverarbeitung eingesetzt zu werden, in den Wald von Biķernieki geschafft, dort erschossen und verscharrt. Am 26. März 1942 wurden dann zwischen 1600 und 1700 Insassen des aufgelösten KZ Jungfernhof mit Lastwagen hierher gebracht, erschossen und in Massengräbern verscharrt; auch sie wurden dabei mit demselben fiktiven Lager in Dünamünde getäuscht, wo es bessere Unterkunftsmöglichkeiten gäbe. Viele der aus Gelsenkirchen deportierten jüdischen Menschen wurden im Wald von Biķernieki ermordet. Foto: Justus Maria Wunderlich.

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Stolpersteine für Familie Block

Nachfahren aus Südafrika auf Spurensuche in Gelsenkirchen

Marion Block begab sich in an Heiligabend in Gelsenkirchen-Schalke auf Spurensuche zu ihren familiären, deutschen Wurzeln. Begleitet von Peter Joseph, auch aus seiner Familie sind Menschen von den Nazis ermordet worden, daran erinnern bereits Stolpersteine in Düsseldorf und Berlin. „Wir stehen seit längerer Zeit im Dialog, die Familie wünscht sich Stolpersteine zur Erinnerung an ihrer unter der NS-Gewaltherrschaft ermordeten Angehörigen“ sagt Andreas Jordan, Projektleiter der Stolperstein-Initiative in Gelsenkirchen, „Heute haben wir uns endlich persönlich kennengelernt“. Nachdenklich steht Marion Block im Hof des Hauses an der Schalker Straße 75. „Ich war niemals vorher in Deutschand, spreche die Sprache nicht – obwohl ich einen deutschen Pass habe. Hier haben meine Großeltern gelebt, mein Vater Kurt und seine Geschwister wurden in dieser Stadt geboren, Vater hat hier seine Kindheit und Jugend verbracht. Es ist ein seltsames Gefühl, hier zu sein.“ sagt sie leise.

Möbelhaus Block in Gelsenkirchen, um 1927

Bereits 1868 hatte Siegfried Blocks Vater Gumpel Block an der Liboriusstraße 37 das Möbelgeschäft der Familie gegründet. Nach dem Tod von Gumpel Block wurde der alteingesessene Familienbetrieb 1905 mit einem Neubau an der Schalker Strasse 75 erweitert. Mit der Machtübergabe 1933 an die Nazis und den in der Folgezeit ständig zunehmenden Repressionen gegen Juden verschlechterte sich die gesamte Lebenssituation der Familie Block zusehends. Das Möbelgeschäft Block nebst Immobilien wurde schließlich 1937 „arisiert“ – wie die Nazis die Enteignung jüdischen Eigentums verschleiernd nannten. Neue Eigentümer der Möbelhandlung Block wurden die „arischen“ Eheleute Theodor und Christine Ernsting, geborene Rosing, die das Geschäft – jetzt unter dem Namen „Rosing“ – an gleicher Stelle fortführten. Unternehmen wie Rosing konnten mit der „Arisierung“ ihren Profit enorm steigern und ihre wirtschaftliche Stellung so weiter ausbauen.

Möbel Block nach der so genannten „Arisierung“, jetzt unter dem Namen der neuen Eigentümer Rosing

Die Kinder der Familie Block konnten 1936 Gelsenkirchen noch rechtzeitig verlassen. Siegfried Block starb 1937, seine Frau Hedwig wurde am 27. Januar 1942 von Gelsenkirchen in das Ghetto Riga verschleppt. Bei dem Versuch, Brot ins Ghetto zu schmuggeln, wurde Hedwig erwischt. Die SS bestrafte Schmuggel mit dem Tod, Hedwig Block wurde im Rigaer Zentralgefängnis ermordet. Im nächsten Jahr werden vor dem Haus an der Schalker Straße 75 fünf Stolpersteine zum Gedenken an Familie Block verlegt, die Finanzierung ist durch die Übernahme von Patenschaften bereits gesichert.

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Grillo: Weitere Stolpersteine sollen an Schüler erinnern

Jüdische Schüler wurden gedemütigt und ihrer Würde beraubt

Zwischen 1933 und 1938 lernten insgesamt 34 jüdische Schüler an damaligen Städtischen Realgymnasium, dem heutigen Grillo-Gymnasium. Der sich ständig verschärfenden Antisemitismus im so genannten „Dritten Reich“ bewegte viele Eltern zur Flucht ins Ausland. Zwischen Mai 1933 und Oktober 1934 waren 14, zwischen Januar 1935 und Oktober 1936 insgesamt 16 und 1938 die letzten 4 jüdischen Schüler gezwungen, das Realgymnasium zu verlassen. Wer von den Eltern zu lange mit der Flucht gezögert hatte, konnte oftmals nur noch das Leben der Kinder retten.

Weitere Stolpersteine für die von dieser Schule vertriebenen Schüler sollen in nächster Zeit verlegt werden, jüdische Schüler in anderen Klassen waren: Walter Josef Hes, Fritz Gompertz, Fred, Leo, Saul und Diament, Max Rosenbaum, Herbert Werner Wolff, Leo Weißmann, Leo Flescher, Helmut Lieber, Jakob Winter, Josef und Manfred Kamiel, David Blitz, Peter Jakobsohn, Benno Sass, Willy Landsmann, Otto Plaat, Heinz vom Ments, Viktor Cohen, Erich Silberberg, Heinz Löwenthal, Hans Schul, Kurt und Werner Alexander, Hans Alexander, Hermann und Salo Jampel. Für diese jungen Menschen können ab sofort Stolperstein-Patenschaften übernommen werden. Mehr erfahren: Für jüdische Kinder und Jugendliche war der Schulweg ab 1933 oftmals auch ein Angstweg.

Die ersten sechs von insgesamt vierundreißig Stolpersteine im Gedenken an ehemalige jüdische Schüler des Grillo-Gymnasiums hat Gunter Demnig Anfang Oktober 2016 in Gelsenkirchen vor dem Schuleingang an der Hauptstraße 60 verlegt.

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„Ich habe Angst, Auschwitz könnte nur schlafen“

Völkermord an Sinti und Roma: 74. Jahrestag des „Auschwitz-Erlasses“

Vor 74 Jahren, am 16. Dezember 1942, ordnete Heinrich Himmler (Reichsführer SS und Chef der Deutschen Polizei) die Deportation aller Sinti und Roma aus dem „Deutschen Reich“ in das Konzen-trationslager Auschwitz an. Mit diesem sogenannten „Auschwitz-Erlass“ begann die Deportation von 23.000 Sinti und Roma aus elf Ländern Europas in das Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau.

Zum Gedenken an den Erlass hat der Künstler Gunter Demnig in Kooperation mit dem Verein Rom e. V. am 16. Dezember 1992, dem 50. Jahrestag des Erlasses, einen Stolperstein vor dem historischen Kölner Rathaus in das Pflaster eingelassen. Auf dem Stein zu lesen sind die ersten Zeilen des den Erlass zitierenden Schnellbriefs.

Zum Gedenken an den Erlass hat der Künstler Gunter Demnig in Kooperation mit dem Verein Rom e. V. am 16. Dezember 1992, dem 50. Jahrestag des Erlasses, einen Stolperstein vor dem historischen Kölner Rathaus in das Pflaster eingelassen. Auf dem Stein zu lesen sind die ersten Zeilen des den Erlass zitierenden Schnellbriefs.
Foto:© Raimond Spekking / CC BY-SA 3.0 DE

Der Völkermord an Sinti, Roma und anderen Fahrenden begann jedoch nicht erst mit den Deporta-tionen nach Auschwitz. Bereits im Mai 1940 wurde eine große Zahl Sinti und Roma in das so genannte „Generalgouvernement“ deportiert. Unter diesen Menschen befanden sich auch zahlreiche Familien, die zuvor lange in Gelsenkirchen gelebt hatten. Sie waren, um den Schikanen von Kriminalpolizei, städtischen Dienststellen und der SA in Gelsenkirchen zu entkommen, nach Köln gegangen und lebten dort in einem Lager in Köln-Bickendorf. Dieses Lager war bereits 1934 erbaut und im April 1935 fertiggestellt worden.

Zielsetzung des Terrorregimes war – wie auch in Gelsenkirchen bei Einrichtung der (Zwangs)-Lager-plätze bzw. Internierungslager an der Cranger Straße und der Reginenstraße – die konzentrierte, systematische Unterbringung und Überwachung dieser Bevölkerungsgruppe fernab des Stadtzentrums. Damit wollte das NS-Gewaltregime auch seine Stigmatisierung dieser Ethnie als „am äußersten Rand der Gesellschaft stehend“ hervorheben. Unter den Menschen, die aus dem Sammellager auf dem Gelände der Kölner Messe bereits im Mai 1940 nach Polen verschleppten worden sind, waren auch die Familien Rosina Lehmann, die Familie Rosenberg, das Paar Malla Müller und Josef Wernicke, die Familie Michael Wernicke und die Familie Johann Wernicke. Sie alle haben zuvor längere Zeit in Gelsenkirchen gelebt.

März 1943 – Deportation der Gelsenkirchener Sinti und Lovara nach Auschwitz-Birkenau

Die Organisation und praktische Durchführung der Deportation der Gelsenkirchener „Zigeuner“ nach Auschwitz-Birkenau oblag der staatlichen Kriminalpolizei, und hier dann der Kriminalpolizeistelle Recklinghausen mit ihrer Kriminal-Inspektion III Gelsenkirchen. Zur Aus- und Durchführung wurden weitere Dienststellen der verschiedenen Verfolgungsbehörden hinzugezogen.

Deportation Gelsenkirchner Sinti und Roma nach Auschitz

Aufgrund des „Auschwitz-Erlasses“ wurden auch die noch in Gelsenkirchen lebenden deutschen Sinti und Lovara am 9. März 1943 auf dem Zwangs- Lagerplatz an der Reginenstraße im Zuge der anstehenden Deportation festgenommen und in das Polizeigefängnis Gelsenkirchen gebracht. In den Lagerbüchern von Auschwitz ist die Ankunft der aus Gelsenkirchen verschleppten Angehörigen der Minderheit am 13. März 1943 festgehalten. Sie wurden fast alle in Auschwitz-Birkenau ermordet, nur wenige der geschunden Menschen überlebten.

„Ich habe Angst, Auschwitz könnte nur schlafen“ Zitat von Ceija Stojka, Künstlerin und Schriftstellerin (1933 – 2013).

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Gelsenkirchen: Paten für neue Stolpersteine gesucht

Die Paten der Stolpersteine setzen Zeichen – für sich und für andere

Auch im nächsten Jahr werden sie wieder in Gelsenkirchen verlegt, die Stolpersteine des Bildhauers Gunter Demnig. Stolpersteine werden flächenbündig in das Pflaster der Gehwege eingelassen – sie verursachen natürlich kein tatsächliches Stolpern. Gunter Demnig drückt es so aus: “Man soll mit dem Herzen und dem Kopf darüber stolpern”. Doch wer finanziert sie eigentlich, die Stolpersteine?

„Es sind meist Einzelpersonen oder Gruppen, die mit der Übernahme einer Patenschaft oder einer zweckgebundenen Spende die Verlegung von Stolpersteinen ermöglichen. Hinter den Stolpersteinen, die verlegt werden, stehen auch Menschen, der sich entschieden haben, an andere Menschen zu erinnern, die zwischen 1933-1945 unter der NS-Gewaltherrschaft verfolgt und in den allermeisten Fällen ermordet wurden. Bildhauer Demnig berechnet derzeit 120 Euro für Herstellung und Verlegung eines Stolpersteins, ein Betrag, den sich auch mehrere Personen oder eine Gruppe, etwa eine Schulklasse, teilen können. Wir suchen fortwährend Menschen, die Patenschaften übernehmen, auch für die in 2017 geplante Verlegung werden noch Paten gesucht. Selbstverständlich sind auch kleinere Beträge zur Unterstützung der Aktion willkommen” so Andreas Jordan, Initiator der Gelsenkirchener Stolperstein-Initiative, „Spenden können unter Angabe des Verwendungszwecks “Stolpersteine” auf das Konto des gemeinnützigen Vereins Gelsenzentrum e. V. überwiesen werden, Verwendungszweck: Stolpersteine. Auf Wunsch wird eine Spendenquittung ausgestellt.“ Info: (0209)9994676 oder per Email: Projektgruppe Stolpersteine Gelsenkirchen

Spendenkonto: Gelsenzentrum e.V., Sparkasse Gelsenkirchen, IBAN: DE79 4205 0001 0132 0159 27

Helfen Sie mit, den Menschen Ihre Namen zurück zu geben, dort wo sie einmal gewohnt haben - vor den Türen der Häuser.

Helfen Sie mit, den Menschen Ihre Namen zurück zu geben, dort wo sie einmal gewohnt haben – vor den Türen der Häuser.

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Stolpersteine: Fenster in die Vergangenheit

Gelsenkirchen wird erinnert – Aktion wird 2017 weitergeführt

Stolpersteine sind starke Erinnerungszeichen und gleichwohl auch kleine Fenster in die Vergangenheit. Sie zeugen von den Auswirkungen einer barbarischen Politik, von Rassenwahn und Herrenmenschen-ideologie. Wie weit diese Fenster aufgestoßen werden, muß jeder für sich selbst entscheiden. 22 der kleinen Mahnmale hat Bildhauer Gunter Demnig am 6. Oktober 2016 in Gelsenkirchen in den Boden eingelassen. Gleich zwei Gelsenkirchener Schulen haben sich in diesem Jahr am Erinnerungsprojekt Stolpersteine beteiligt. Weiterlesen

Gunter Demnig verlegt Stolpersteine in Gelsenkirchen-Horst in Erinnerung an Familie Schloss

Gunter Demnig verlegt Stolpersteine in Gelsenkirchen-Horst in Erinnerung an Familie Schloss

Stolpersteine in Gelsenkirchen: Presse- und Medienspiegel – eine Auswahl

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Jeder Stein ein Leben

Stolpersteine: Verlegung in Gelsenkirchen

Mit der Verlegung der Stolpersteine wird die Erinnerung an das Leben und Leiden der verfolgten Menschen im so genannten „Dritten Reich“ lebendig. Stolpersteine erinnern auch an Wendepunkte in den individuellen Lebenswelten, an eine oftmals glückliche Zeit, bevor Angst, Ausgrenzung und Rassenwahn das Sein der Verfolgten bestimmten. Ihre Namen kehren mit der Verlegung eines Stolper-steins zurück in unseren Alltag. Und zwar genau dort, wo die Betroffenen vor ihrer Verhaftung, Flucht, Verschleppung oder Ermordung ihre Lebensmittelpunkte hatten, inmitten der Stadtgesellschaft – Vor den Türen ihrer Häuser.

Hinter jedem Stolperstein steht die individuelle Lebens- und Leidensgeschichte eines Menschen.

Hinter jedem Stolperstein steht die individuelle Lebens- und Leidensgeschichte eines Menschen.

In die Messingoberfläche der Stolpersteine werden Inschriften eingeprägt, die meist mit den Worten „Hier wohnte“ beginnen, darunter Name, Geburtsjahrgang, Eckdaten der Verfolgung und der Todesort. Derart unauslöschlich gemacht, erinnert die Inschrift dauerhaft an Menschen, die aufgrund ihrer Herkunft, Religion, sexuellen Orientierung oder politischen Gesinnung von den Nazis verfolgt bzw. ermordet worden sind. Im Gedenken sollen Familien wieder symbolisch „zusammengeführt“ werden, so werden auch Familienmitglieder einbezogen, die überleben konnten.

An neun Orten im Gelsenkirchener Stadtgebiet verlegt Gunter Demnig am Donnerstag, 6. Oktober 2016 weitere 22 Stolpersteine. Zur Teilnahme an den Verlegungen sind alle Mitbürgerinnen und Mitbürger herzlich eingeladen. Wir weisen darauf hin, dass im zeitlichen Ablauf Verschiebungen möglich sind, planen Sie bitte jeweils ein Zeitfenster von +/- 15 Min. zu den angegebenen Uhrzeiten ein. Die Projektleitung ist am Verlegetag unter 0174-5463829 zu erreichen. Stolpersteine werden verlegt für:

Julius Less, 10.00 Uhr, Im Quartiermeister 18

Familie Max Schloss, 10.20 Uhr, Markenstr. 28

Johann Eichenauer, 10.40 Uhr, Schlangenwallstr. 9

Josef Wesener, 11.00 Uhr, Josefstr. 32

Albert Gompertz, Günter Schönenberg, Hermann Cohn, Ernst Back, Horst Karl Elias, Erich Lilienthal, 11.20 Uhr, Grillo-Gymnasium. Hauptstraße 60

Rudolf Littek, 12.00 Uhr, Liebfrauenstr. 38

Ehepaar Siegfried u. Rosalia Elise Galliner, 12.20 Uhr, Munckelstr. 5

Familie Hermann Joseph, 12.40 Uhr, Ringstr. 67

Selma u. Walter Müller, 13.00 Uhr, Ahstraße/Ecke Husemannstraße

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Stolpersteine sollen an Familie eines jüdischen Schalke-Sponsors erinnern


Dunkel in Deutschland

Kurz vor seiner Deportation, gegen Ende des Jahres 1941 arbeitete Werner Sauer als Maurer im Katholischen Krankenhaus in Gelsenkirchen. „Ich werde nicht mehr wiederkommen.“ sagte er eines Tages zur Schwester Oberin. „Warum nicht?“ fragte die Ordensschwester. „Ich bin Jude.“ sagte Werner Sauer leise. Die Oberin antwortete traurig: „Wenn die Juden Deutschland verlassen müssen, wird es sehr dunkel. Denn sie nehmen die Sterne, den Mond und die Sonne mit“. – Sie konnte ja nicht wissen, wie recht sie damit hatte.

Werner Sauer hat seine blau-weiß gestreifte KZ-Häftlingsmütze durch die Zeit gerettet. Sie befindet sich seit 1994 im United States  Holocaust Memorial Museum (USHMM)

Werner Sauer hat seine blau-weiß gestreifte KZ-Häftlingsmütze durch die Zeit gerettet. Sie befindet sich seit 1994 im United States Holocaust Memorial Museum (USHMM)

Stolpersteine

An der Schalker Str. 184 sollen schon bald Stolpersteine an Leopold „Leo“ Sauer, seine Frau Auguste und Sohn Werner erinnern. Dort betrieb der frühe Schalke-Sponsor Leopold Sauer seine gutgehende Metzgerei. Leo, wie der allseits bekannte und beliebte Metzgermeister meist genannt wurde, unterstützte neben dem Verein auch viele Spieler des Schalke 04 privat. So bezahlte er dem Schalker Spieler Ernst Kuzorra den Führerschein und stellte ihn als Fahrer an. Anlässlich einer Meisterfeier des FC Schalke präsentierte Leopold Sauer ein Schwein, das er zuvor in den Vereinsfarben blau-weiß angestrichen hatte und trieb es beim Triumphzug durch die Straßen. Von den Nazis enteignet und aus ihrem Haus vertrieben, wurde Familie Sauer im Januar 1942 zunächst in das Ghetto Riga deportiert. Das Ehepaar Sauer wurde im KZ Stutthof ermordet, Sohn Werner konnte mit viel Glück den Holocaust überleben. Nach seiner Befreiung lebte er in Berlin und emigrierte 1949 in die USA.
Mehr erfahren: Familie Sauer

Für die drei Stolpersteine, die Familie Sauer gewidmet werden, können Patenschaften übernommen werden. Info: Projektleitung Stolpersteine Gelsenkirchen

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